Kanada. Begegnungen mit Waschbären und Weltstädten

Vorlesen
- 3 Seiten -


Besorgt schaue ich an mir herab. Ich sitze bis zu den Knien im Wasser.Bei jedem Paddelschlag schmatzt mein T-Shirt vor Nässe, und nochimmer rollen Brecher heran. Der Wind bläst mir mit 30Stundenkilometern entgegen, als wolle er mich von meinem Vorhabenabbringen. Dabei bin ich noch nicht einmal in den Rideau-Kanaleingebogen.

Auf dem Rideau-Kanal nach Ottawa

Der wurde 1832 eröffnet und verbindet seither Ottawa und das schmucke Städtchen Kingston. Mit dem Kanal wollte man den Zugang zum Atlantik und zu den großen Seen gewährleisten. Die 200 Kilometer sind inzwischen UNESCO-Weltkulturerbe und Freizeitparadies.

Wenn nur der Wind nicht wäre! Acht Stunden lang bläst er mir an meinem ersten Paddeltag stramm entgegen. Mühsam kämpfe ich mich voran, halte mich nah am Ufer, bis ich einigermaßen entkräftet mein Zelt an einer Schleuse aufstelle. Kaum habe ich am folgenden Morgen die Augen geöffnet, höre ich die feixenden Stimmen von acht kräftigen Jungs, die ihre Kajaks zu Wasser lassen. Rasch packe ich meine Habseligkeiten, klettere in mein Gefährt und paddele los, um die acht einzuholen. Eine Viertelstunde später blicke ich in überraschte Gesichter.

„Wollt Ihr auch nach Ottawa?“ „Klar, in drei Tagen werden wir dort sein. Wir fahren 19 Stunden täglich, von fünf Uhr morgens bis Mitternacht. Vier Stunden schlafen wir. Die restliche Stunde verbringen wir damit, unsere Zelte auf- und abzubauen.“ „Klingt nach einer Menge Spaß.“

Von hier an wurde alles anders. Tagsüber scherzen und erzählen wir uns unsere Geschichten. In der Dämmerung bricht der Wind ein; das sind die schönsten Stunden meiner Reise. Um mich herum die Geräusche des Flusses und seiner Bewohner: darunter viele, die ich in Kanada nicht erwartet habe, Schlangen zum Beispiel und Schnappschildkröten. Das Mondlicht tanzt auf den Wellen. Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf das Geräusch meines Paddels, wenn ich es ins Wasser tauche, leiser als ein Fingerschnipsen. Auf das Glucksen, das die Strudel hinter ihm erzeugen und auf das beruhigende Plätschern, wenn ich das Paddel durch die Luft nach vorne hole, um es kurz darauf erneut einzutauchen. Angekommen bin ich auf dem Rideau; alles ist leicht und friedlich geworden.

Kajakfahren gehört zu den natürlichsten Arten, sich fortzubewegen. Jahrtausendelang haben die First Nations die Ufer auf diese Weise erforscht. Die Kraft für den Vorwärtsschub holt man aus dem gesamten Körper: Nicht nur die Arme, auch Brust und Rücken sind gefordert; mit Bauch und Beinen hält man das Gleichgewicht. So kann ich tagelang fahren, ohne dass mein Körper allzu nachdrücklich dagegen rebelliert.





Gefällt mir
2
 

Weitere Freie Texte

Freie Texte

Fiona: Hoffnung

FIONA

Die Hoffnung klopft, so zaghaft sacht, doch bricht sie jedes Mal bei Nacht. Auch wenn sie den tag über nur lacht Hält sie der gedanke trotzdem die ganze Nacht wach Es wird bestimmt klappen Und ich kann es auch schaffen Und ich werde mich auch trauen, ... doch ... ich könnte es auch versauen Die Hoffnung, einst so zart und klein, ertrank in Tränen, kalt und rein. Sie fragt nicht mehr, warum, wofür, denn jede Antwort schweigt in ihr. Hoffnung nur ein positives Gefühl Sie glaubte daran doch dass ...
lesering
Freie Texte

Die Sehnsucht. Pindars Ode

Paweł Markiewicz

Du wie die Träumerei geboren von dionysischen Oden wie zarter Tag in deinem Wind – verzaubertem Schmetterling so wie das Goldene Vlies – zauberisch in der anmutigen Phantasie graziöses Paradies verloren ist doch gefunden und so schwärmerisch Du lotos-zärtlicher Tagfalter du – über den Vulkanen mit sanfter Flügel-Verzaubertheit verewigt in den Zeiten Ich möchte sein wie Du und ewige dankende Augen ein Heer der Gefühle scheint in fernen Mythen Ländern Ich wäre linder und unendlich wunderbar wie ...
lesering
Freie Texte

Irena Habalik: Hinter den geschlossenen Türen

Irena Habalik

werden die Gabeln poliert für die nächste Zugabe wird Posaune geübt für das Jüngste Gericht zu große Brust flach gelegt und geschmeckt zu kleiner Kopf in den Topf gesteckt wird laut diskutiert über die Abwesenheit der Milch wird geklagt über das Nachlassen der Schwerkraft Hinter den geschlossenen Türen wird die Liebe kalt begossen werden die Messer gewetzt, in die Tasche gesteckt die Unwahrheiten serviert zu den Mahlzeiten wird Brecht zitiert und Benn applaudiert das Perverse wird hier probiert ...
Freie Texte Freie Texte lesering
Freie Texte

Maxima Markl: Zeit

Maxima Markl

Ich schaue auf die Uhr vor, nach und während einer Tat die Zeit vergeht wenn ich nicht hinschaue Das Ticken einer Uhr ein Herzschlag Bist du tot, bleibt die Zeit für dich stehen Du veränderst dich nicht Bleibst gleich Bis die Zeit alle geholt hat Die sich an dich erinnerten Und die Uhr tickt weiter Früher gab es keine Uhr Keine Zeit Die Tage verschmolzen ineinander Aber es gab auch keine Tage Nur hell und dunkel War die Zeit dazwischen Sie floss wild Ungebändigt Und doch so stetig Bis man ihr ...
Freie Texte Freie Texte lesering
Freie Texte

Gabriele Ejupi: Die Last

Gabriele Ejupi

Der Schnee lastet schwer auf den Zweigen. Sie senken sich unter dem Druck, geben nach, verlieren ihren Widerstand. So lastet auch die Bürde des Lebens auf unseren Schultern, und auch wir geben nach, gehen nicht mehr so aufrecht wie einst. Wir versuchen, einiges abzuschütteln, die Last zu vermindern, sie in eine weit entfernte Ecke zu schieben. War es wirklich wichtig? Nicht alles verdient es, bis ans Ende unserer Tage getragen zu werden. Erinnerungen verblassen, und mit ihnen wird die Last ...
Freie Texte Freie Texte lesering
Freie Texte

Martin Neuhold:Lautlos

Martin Neuhold

Andere zerbrechen laut, und die Welt hält inne, reicht Hände, flüstert Trost. Ich zerbreche nach innen, schichtweise, lautlos, wie Holz, das von innen fault, bis nur noch die Hülle bleibt – aufrecht, unauffällig, brauchbar. Manchmal wünsche ich mir, zu schreien, zu explodieren, sichtbar zu sein im Splittern und Bersten. Aber ich bleibe still, wie immer, und funktioniere weiter, während mein Herz im Verborgenen zu Staub zerfällt.

Aktuelles