Politik oder Poesie? PEN Berlin: Was Schriftsteller nicht sind

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Die Gründung des neuen PEN Berlin sorgte in den vergangenen Tagen für viel Tumult und Aufregung. Man kritisierte, man lobte, man echauffierte und beruhigte sich. Fünf Tage nach der offiziellen Gründung des Schriftstellervereins haben sich die Lager allmählich beruhigt; die anfängliche Aufregung scheint verpufft. Der "neue" PEN, so macht es den Anschein, wird in wenigen Wochen nurmehr schal und fad neben dem "alten" liegen. In einem heute in der FAZ erschienen Artikel macht der Schriftsteller Bernhard Schlink den entscheidenden Punkt: Schriftstellern, so Schlink, sollte es um etwas anderes gehen.

Erste Tagung des wiedergegründeten PEN-Zentrums Deutschland am 12. April 1949 in Hamburg Bild: Bundesarchiv, Bild 183-R76032 (Wikipedia)

Vor knapp einer Woche hat sich mit dem PEN Berlin eine Schriftstellervereinigung gebildet, die sich selbst die Erneuerung maroder und verkrusteter Strukturen auf die Fahne schreibt. Nachdem es im - maroden und verkrusteten - alten PEN Deutschland wiederholt Tumult und Auseinandersetzungen mit und um den ehemaligen Präsidenten Deniz Yücel gegeben hatte, entschied man sich, der von Yücel als "Bratwurstbude" bezeichneten Vereinigung den Rücken zu kehren. Die einen mehr, die anderen weniger konsequent. Von Aufbruchsstimmung war und ist die Rede, von Erneuerung und mehr Inklusion. Dass sich all diese divers, frisch und daher per se gut klingenden Verkündungen nicht auf den neuen PEN, sondern lediglich auf die kurzerhand getroffene Entscheidung einer PEN-Neugründung beziehen, liegt daran, dass man nicht mit dem alten PEN, sondern dessen Personal unzufrieden war.

Ein paradigmatischer Widerspruch

Kritik zur Neugründung war in den letzten Tagen viel zu lesen. Lob auch. Nun, fünf Tage nach der offiziellen Gründung, hat sich der Rauch allmählich gelegt und man schaut mit Abstand etwas gemächlicher auf den Disput. Überzeugend tut dies der Schriftsteller und Jurist Bernhard Schlink, der in einem heute in der FAZ erschienenen Beitrag dafür plädiert, PEN und PEN Berlin schnellstmöglich wiederzuvereinen. "Schriftstellern sollte es um etwas anderes gehen", schreibt Schlink, der die von Seiten der Neugründer angebrachte Kritik zwar nachvollziehen, die Gründung eines PEN-Ablegers aber nicht gutheißen kann.

So konstatiert der Schriftsteller zunächst einen performativen Widerspruch in der Neugründung. Man wolle nichts mehr mit "Vereinsmeierei" zu tun haben, so die Mitglieder des PEN Berlin. Zugleich aber, setzen sie ausgerechnet mit dem Akt der Neugründung jene "Vereinsmeierei" fort. Reformvorschläge, die der PEN Berlin jetzt umsetzen will, seien im deutschen PEN Zentrum niemals vorgebracht worden, so der Autor. Am Ende würde nur die unterschiedliche Zusammensetzung der Mitglieder PEN und PEN Berlin voneinander unterscheiden.

Dieser Widerspruch, performativ genau das zu reproduzieren, wogegen man inhaltlich anzukämpfen glaubt, scheint hier paradigmatisch zu sein. In nahezu allen Sparten, ob kulturelle, politische, gesellschaftliche, können wir dieses Paradox mittlerweile beobachten. Etwa die Forderungen nach mehr Diversität, die zugleich mit unausgesprochenen aber doch längst manifest gewordenen Verboten einhergeht. Demonstranten, die nahezu ungestraft gegen eine vermeidliche Diktatur aufmarschieren. Die Idee, sich kaufend vom "höher, besser, schneller" entfernen zu können ("grünes Wachstum" e.t.c.)

Was ein Schriftsteller sein sollte

In seinem Beitrag macht Bernhard Schlink deutlich, was Poets, essayists und novelists nicht sind. "Aber wir sind keine Politikmenschen, sonst wären wir in die Politik gegangen..." heißt es dort unter anderem. Und vielleicht liegt gerade hier der tiefere Grund des Disputs. Ist es doch durchaus möglich, dass sich der eine oder die andere eher als VertreterIn einer politischen Agenda denn als SchriftstellerIn versteht. Nicht auszuschließen, dass einige davon ausgehen, man könne gleichermaßen politisch und künstlerisch produktiv sein. Vielleicht rührt dann der ganz eklatant zu Tage tretende Widerspruch dieser und vieler anderer Bewegungen daher, dass es hier und dort noch Kunstwiderstände gibt, Akteure und Strukturen also, die sich der vereinnahmenden Politisierung entwinden. Und auch hier müssten wir dann sagen: "Schriftstellern sollte es um etwas anderes gehen."

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