Mit dem Namen Henri Nannen verbinden wir eine bahnbrechende, journalistische Karriere, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte und in deren Zuge das "Stern"-Magazin entstanden ist. Nannen war Gründer, Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift. Welche Rolle der Verleger und Publizist insbesondere gegen Ende des Zweiten Weltkriegs gespielt hat, zeigen nun neue Recherchen des Online-Formats STRG_F. Dass der spätere "Stern"-Herausgeber zuvor für ein Unternehmen namens "Südstern" gearbeitet hat, war bekannt. Auch dass der "Südstern" alliierte Soldaten propagandistisch beeinflussen sollte, um deren Vormarsch in Italien aufzuhalten, wusste man. Unbekannt hingegen war bisher, was genau dieser "Südstern" druckte und verteilte ...
Henri Nannen: Der reiche Jude, der leidende Soldat, der deutsche Qualitätsjournalismus
Der kapitalistische Jude, der sich mit den Frauen der Soldaten vergnügt, während diese an der Front kämpfen und sterben. Der reiche Jude, der Soldaten durch den Fleischwolf dreht und sie zu Geld macht. Der Jude schließlich, der als Verräter in den eigenen Reihen auftritt, und sich auf die Kosten der Kämpfenden vergnügt. Perfide Bilder und Texte dieser Art sind typische für die nationalsozialistische Propaganda. Einer Recherche des Online-Formats STRG_F zufolge, wurde Inhalte dieser Art auch von dem Unternehmen "Südstern" - eine Propagandaeinheit der SS - gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in den Reihen der Feinde verbreitet. Boss des Unternehmens war der spätere "Stern"-Herausgeber Henri Nannen, der, ohne selbst Mitglied der SS zu sein, federführend wirkte.
Der "Jüdische Zweite Weltkrieg"
Das Nannen diese Position inne hatte, ist seit langem bekannt und unbestritten. Nur um die antisemitischen Inhalte der Flugblätter wusste man bis vor kurzem nicht. Diese wurden nur von dem STRG_F-Team gleich zu Dutzenden offengelegt. Bilder und Texte, in deren Mittelpunkt das immer gleich Narrativ des reichen, kapitalgetriebenen Juden steht. Oft sind es Frauen, die den Juden auf den Bildern zum Opfer fallen. In den Texten heißt es: "Nur eine Gruppe von Menschen profitiert von jedem Krieg: Die Wallstreet und die Juden!". Man spricht von einem "Jüdischen Zweiten Weltkrieg" oder gar bereits von einem "Dritten Weltkrieg", der von den Juden längst vorbereitet und bald vom Zaun gebrochen werden wird. Dies alles wurde in den letzten beiden Kriegsjahren unter der Leitung des später mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Henri Nannen erdacht, gedruckt und verteilt.
Henri Nannen hat seine Tätigkeit bei "Südstern" verschwiegen
Was genau Nannen im Zuge seiner Tätigkeit beim "Südstern" genau in die Wege geleitet, gedruckt und veröffentlicht hat, klärte der Publizist zu Lebzeiten niemals vollständig auf. Von Seiten des "Stern"-Magazins hießt es zuletzt, man stehe jeder neuen Information zur Biografie Henri Nannens "sehr offen" gegenüber. Weiter wollte man sich zunächst nicht zur Recherche äußern. Das Blatt steht stolz im Schatten seiner großen Gründerpersönlichkeit.
Während seines Entnazifizierungsverfahrens verschwieg Nannen im übrigen seine Tätigkeit bei der SS-Kampagne "Südstern", was wohl mit großer Wahrscheinlichkeit eine wichtige Voraussetzung für seine Entlastung war. Nur kurze Zeit später erhielt Nannen seine erste Zeitungslizenz und begann daraufhin seine verlegerische Karriere.
"Stern" und "Jugend forscht"
Auch noch während seiner Zeit als Gründer und Herausgeber des "Stern"-Magazins hatte Nannen noch engen Kontakt zum Personal des "Südsterns". So holte er den SS-Obersturmfüher Hans Weidemann, der einst formal als Leiter der "Südstern"-Kampagne aufgestellt wurde, später zum "Stern" und machte ihn zum Wettbewerbsleiter von "Jugend forscht".
Zeichner Heinz Fehling
Auch der Zeichner Heinz Fehling, der einige Illustrationen für den "Südstern" anfertigte (unter anderem ein teures, rasendes amerikanisches Auto mit Davidstern an der Außentür, welches über ein Schlachtfeld rast) wurde von Nannen später weiterhin unterstützt und protegiert. Fehling war einfacher Zeichner und gehörte, ebenso wie Nannen, nicht der SS an. Henri Nannen gab Fehling nach dem Krieg unter anderem einen Auftrag im "Verlag Henri Nannen" und druckte im "Stern" Zeichnungen von Fehling ab. Auch hierzu äußerte sich der "Stern" vorerst nicht.
Henri Nannen ist Namensgeber des renommierten Nannen-Preises, mit dem die besten journalistischen Arbeiten in Print und Online ausgezeichnet werden. Zudem wurde die renommierte Henri-Nannen-Schule nach dem Publizisten benannt. Hier werden seit Jahren Journalistinnen und Journalisten ausgebildet.