Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2022 ist seit 31.März im Buchhandel erhältlich. Die Buchreihe wird vom Metropol Verlag im Auftrag der Bundesstiftung Aufarbeitung seit 2004 herausgegeben. Schwerpunkt der Ausgabe 2022 ist der Konservatismus und Autoritarismus im Staatssozialismus. Einer der diesjährigen Autoren ist der Historiker Dr. Jens Gieseke, der seit Jahren zur Geschichte der DDR und zum Ministeriums für Staatssicherheit forscht und seit 2008 die Abteilung "Kommunismus und Gesellschaft" am Zentrum für Zeithistorische Forschung leitet.
Das Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2022 fragt nach der Bedeutung konservativer Denkfiguren in den staatssozialistischen Gesellschaften, nach Heimat, autoritären Mentalitäten, patriarchalen Familienbildern und ethnischer Homogenität. Die Beiträge widmen sich u.a. den Konflikten, die sich aus dem Aufeinandertreffen von heimatlicher Volks- und westlicher Popkultur oder zwischen Feminismus und autoritärer Familienpolitik ergaben. Außerdem wird die Rolle des Konservatismus für die sowjetische Transformation vom Spät- zum Postkommunismus diskutiert. Geografische Schwerpunkte bilden die SBZ/DDR, Rumänien, Polen, die Sowjetunion und ihre Nachfolgestaaten Estland und Belarus.
Drei Jahrzehnte nach der Überwindung des Kommunismus haben sich in Ländern des ehemaligen Ostblocks neue, illiberale Regime etabliert. Inwieweit die Ursprünge dieser Entwicklung in die Zeit des Staatssozialismus zurückreichen, wird zunehmend auch von den Geschichtswissenschaften diskutiert. Diese Perspektive stellt die lange vorherrschende Interpretation infrage, der Zusammenbruch des Kommunismus sei ein säkularer Triumph des »Westens« und seiner Werte von Demokratie, Pluralität und Liberalität gewesen.
Das Jahrbuch dokumentiert die Beiträge, die für die 2. Hermann-Weber-Konferenz für Historische Kommunismusforschung in Berlin im Jahr 2020 geplant waren, die jedoch Corona-bedingt ausfallen musste. Das JHK 2022 wurde von Jens Gieseke vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam konzipiert und in Kooperation mit ihm herausgegeben.
Das 1993 von Hermann Weber in Mannheim begründete und seit 2004 im Auftrag der Bundesstiftung Aufarbeitung herausgegebene Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung ist die wichtigste deutschsprachige Plattform der deutschen und internationalen historischen Kommunismusforschung.
Jens Gieseke
Jens Gieseke ist ein deutscher Historiker, dessen Forschung sich auf die Geschichte der DDR und des Ministeriums für Staatssicherheit konzentriert. Gieseke wurde 1964 in Langenhagen geboren. Nach einem Studium der Geschichte, Politologie und Rechtswissenschaften in Hannover und Potsdam promovierte er 2000 zum Dr. phil. (Universität Potsdam). Seit 2008 ist Gieseke Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung. Dort leitet er die Abteilung "Kommunismus und Gesellschaft" (seit 2018 zusammen mit Dr. Juliane Fürst)
Beiträge im "Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 2022"
- Jens Gieseke: "Konservativismus und Autoritarismus im Staatssozialismus. Zur Einführung"
- Peter N. Gengler: "Deutsche Opferrolle und sozialistische Staatsbildung. Neue Perspektiven auf Flucht und Vertreibung und die Deutsche Demokratische Republik, 1945-1950"
- David G. Tompkins: "Israelbild und Antisemitismus im spätsozialistischen Polen und der DDR"
- Daniel Logemann: "Polenfeindlichkeit in der DDR. Leipzig in den 1970er- und 1980er Jahren"
- Ann-Judith Rabenschlaf: "Völkerfreundschaft, Vertragsarbeiter und völkische Identität - Alltagsrassismus in staatlichen und gesellschaftlichen Diskursen der DDR"
- Adela Hîncu: "Ambivalentes Empowerment. Sozialwissenschaftliche Forschung über die Ungleichstellung von Frauen im spätsozialistischen Rumänien"
- Mioara Anton: "Rückkehr zum Autochthonismus. Die junge sozialistische Generation in Rumänien zwischen Alternativkultur und ideologischer Indoktrination"
- Jan Claas Behrends: "Die dunkle Seite der Perestroika. Autoritäre Strukturen, russischer Nationalismus und imperiales Denken unter Gorbachev und Yeltsin"
- Karsten Brüggemann: "Sowjetestland zwischen bürgerlichem und internationalistischem Nationalismus. Versuch einer Neubewertung."
- Anton Liavitski: "Perestroika und die Ursprünge von Lukashenka´s Konservativismus"
- Rainer Hohle: "Transitional Justice - Wege und Sonderwege"
Herausgeber
Jens Gieseke (Gastherausgeber 2022), Ulrich Mählert, Jörg Baberowski, Bernhard H. Bayerlein, Bernd Faulenbach, Peter Steinbach, Stefan Troebst, und Manfred Wilke. Im Auftrag der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur