Das umstrittene Buch "Der Verrat an Anne Frank" wurde in den Niederlanden nun endgültig aus dem Handel genommen. Bereits vor seinem Erscheinen hatte der Titel Aufsehen erregt und weltweit Kritiker auf den Plan gerufen. Der Grund: Die kanadische Schriftstellerin Rosemary Sullivan bezieht sich in ihrem Buch auf fragwürdige Untersuchungen, die die Entdeckung und Verhaftung der Familie Frank auf den Verrat des jüdischen Notars Arnold van den Bergh zurückführen. Eine sechsköpfige Expertengruppe aus Akademikern und Historikern kam nun zu dem Schluss, dass ebendiese Untersuchung auf Spekulationen und Falschinterpretationen fußt.
Verlag zieht umstrittenes Buch "Der Verrat an Anne Frank" endgültig aus dem Handel zurück
Bereits der Entstehungsprozess des Buches "Der Verrat an Anne Frank" war von Kritik und Gegenwehr begleitet, die Veröffentlichung dementsprechend genau beäugt worden. Etwa zwei Wochen nachdem die Übersetzung im niederländischen "Ambo Anthos"-Verlag erschienen war, wurde die Kritikerstimmen so laut, dass dem Verlagshaus nicht anderes übrig blieb, als sich öffentlich bei jedem zu entschuldigen, "der sich durch das Buch angegriffen" fühlte. Den Druck weiterer Exemplare stellte man zunächst ein.
Grund für die heftige, von internationalen Akteuren geäußerte Kritik war der Umstand, dass sich die im Buch angeführte Grundthese auf eine Untersuchung stützt, die von vornherein als spekulativ und wackelig galt. Die Entdeckung und Verhaftung Anne Franks, so legte diese Untersuchung nahe, sei auf den Verrat des jüdischen Notars Arnold van den Bergh zurückzuführen, der dadurch seine eigene Familie vor den Nazis retten wollte. Inzwischen hat der "Ambo Anthos"-Verlag das Buch endgültig zurückgezogen. Dabei verwies er auf einen am Mittwoch veröffentlichten Expertenbericht, der den kritischen Stimmen recht gibt und die dem Buch zugrunde liegende Untersuchung scharf kritisiert.
Spekulationen und falsche Interpretationen
Dem 69-seitigen Bericht zufolge basieren die Untersuchungen, die von einem Team rund um den ehemaligen FBI-Ermittler Vince Pankoke angestellt wurden, schlicht auf Spekulationen und Falschinterpretationen. Pankoke hatte damals nach einer mehrjährigen Recherche bekannt gegeben, man habe den Fall mit einer 85% Wahrscheinlichkeit geklärt. Der nun vorliegende Expertenbericht bestätigt den Verdacht, den KritikerInnen in Bezug auf die Veröffentlichung des Buches wiederholt hervorgebracht hatten. In den Anschuldigungen war von "Sensationalismus" und "Spekulation" die Rede.
In einer weiteren Stellungnahme des Verlagshauses Ambo Anthos heißt es: "Wir möchten uns noch einmal aufrichtig bei denjenigen entschuldigen, die sich durch den Inhalt des Buches beleidigt gefühlt haben" Buchhandlungen, die noch Exemplare vorrätig hätten, sollten diese zurückschicken.
Die Veröffentlichung in anderen Ländern
In den USA wurde der Verkauf des Buches vom HarperCollins-Verlag trotz aller Kritik bislang nicht eingestellt. Auch in Deutschland (wo das Buch ebenfalls bei HarperCollins erscheinen), hält man weiterhin an der Veröffentlichung fest. Der ursprüngliche Termin am 22. März wurde jedoch vom Verlag zurückgenommen. Auf Anfrage des "Spiegels" gab der Verlag bekannt, dass derzeit an einer "korrigierten, ergänzten und kommentierten deutschsprachigen Ausgabe" gearbeitet werde, "um allen interessierten Leserinnen und Lesern zu ermöglichen, sich eine eigene, unabhängige Meinung zum Buch und zu der damit verbundenen medialen Diskussion zu bilden"