Vor etwa einem halben Jahr wurde der Journalist und Autor Deniz Yücel zum Präsidenten des deutschen PEN-Zentrums gewählt. Jetzt fordern fünf ehemalige Präsidenten seinen Rücktritt. Grund der Forderung waren Äußerungen Yücels bezüglich der Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine. Im Rahmen einer Eröffnungsveranstaltung des Literaturfestivals "lit.Cologne" am vergangenen Dienstag, hatte Yücel einen solche Schritt begrüßt. Die Ex-Präsidenten sehen darin eine Missachtung der PEN-Charta, die Mitglieder verpflichtet, mit aller Kraft für eine "in Frieden lebende Menschheit" einzustehen.
Der amtierende Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Deniz Yücel, soll sein Amt niederlegen und zurücktreten. Dies forderten die fünf ehemaligen Präsidenten Gert Heidenreich, Christoph Hein, Johano Strasser, Josef Haslinger und Regula Venske in einem an Yücel gerichteten, offenen Brief. Als Begründung führen die Ex-Funktionäre einen Auftritt Yücels im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung des Literaturfestivals lit.Cologne an. Dort hatte sich der Journalist für die Einrichtung einer Flugverbotszone in der Ukraine, und damit für ein militärisches Eingreifen der Nato ausgesprochen. Auf die Frage der Moderatorin Susanne Beyer, ob ein solches Verbot in die Wege geleitet werden solle, antwortete Yücel: "Das wäre doch eine gute Idee, oder?" In den Sozialen Netzwerken wird unter dem Hashtag #closethesky bereits seit Tagen lautstark für die Schließung des Flugraumes geworben.
Persönliche, oder stellvertretende Meinung?
In dem offenen Brief heißt es, es ginge bei jener Veranstaltung in Köln nicht um Yücels private Meinung, sondern um eine stellvertretende, die er als Präsident des PEN-Zentrums zu vertreten hatte. Schließlich sei er als Präsident des PEN-Zentrums, nicht als der Autor und Journalist Deniz Yücel eingeladen worden. In dieser Stellvertreterposition habe er, so die Ex-Präsidenten, gegen die internationale PEN-Charta verstoßen, die Mitglieder dazu verpflichtet, mit aller Kraft für eine "in Frieden lebende Menschheit" zu wirken. Yücel hätte mit seinen Äußerungen eine gegensätzliche Position bezogen.
Woher wissen alle so genau, wie Putin reagieren wird?
Yücel selbst hat die Rücktrittsforderung bisher zurückgewiesen. Auf der "lit.cologne" forderte er neben einer Flugverbotszone auch weitere Waffenlieferungen an die Ukraine, sowie einen konsequenten Ausschluss aller russischen Banken aus Swift. Es sei nicht so, dass die Ukrainer den ganzen Westen in den Krieg zu ziehen versuchten, so der Journalist. Darüber hinaus frage er sich, warum so viele Menschen behaupten, sie wüssten, wie Putin reagieren würde, wenn die Nato Härte zeigen würde.
Auf Twitter hatte Yücel am Montag darauf verweisen, dass es in diesem Streit um ganz andere Dinge gehe, die intern geklärt werden müssten.
Wenn falsche Worte zum Ausschluss führen...
Wir sollten nicht vergesse, dass Deniz Yücel am besagten Eröffnungsabend keineswegs der einzige war, der einem militärischen Eingriff der Nato wohlwollend gegenüberstand. Auch die die Dramatikerin Sasha Marianna Salzmann und der ukrainische Autor Sasha Filipenko forderten eine Schließung des Luftraums. Der Schriftsteller Navid Kermani war der einzige in der Runde, der sich gegen ein solches Unterfangen aussprach und darauf verwies, dass dieser Schritt zugleich ein Schritt in Richtung Eskalation wäre.
Abgesehen davon, dass ein Eingreifen der Nato tatsächlich nichts als zunehmende Anspannung und somit steigende Gefahren (nicht nur für den Westen) mit sich bringen würde, geht es im Kern doch um eine andere Frage. Dass Yücels Argument "Wir wissen ja gar nicht wie Putin reagieren wird" angesichts der Drohung Russlands, Atomwaffen einzusetzen, recht kläglich erscheint, sollte den meisten klar sein.
In diesem besonderen Fall aber ist zu fragen, ob ein Organ wie die PEN ihren Mitgliedern Denk- und Sprachverbote auferlegen sollte. Hier sollte vielleicht noch einmal festgehalten werden, dass die PEN solche Verbote idealerweise nicht aussprechen muss, da die Gesinnung dieser Schriftstellervereinigung für die potentiell Eintretenden eindeutig und klar ist. Wer kriegerische Interventionen gutheißt, würde als Mitglied erst gar nicht erst in Frage kommen. Im Falle Yücel muss man nun noch einmal austarieren, was Bellizismus - und sei es auch Menschenrechts-Bellizismus - genau bedeutet, wie der Begriff Pazifismus zu füllen ist und welche Grenzen - Gruppenintern - nicht zu überschreiten sind.