In der kommenden Ausgabe "ttt - titel, thesen, temperamente" (Sonntag, 20. März) geht es um das literarische Treiben in der Messestadt Leipzig. An diesem Wochenende starten dort diverse Literaturveranstaltungen, die als Antwort auf die Absage der Leipziger Buchmesse auf die Beine gestellt wurden. Herzstück der Alternativ-Veranstaltungen ist wohl die Popup-Buchmesse, an der 60 Verlage teilnehmen. Eine Schriftstellerin, die den Weg nach Leipzig trotz Messe-Absage auf sich genommen hat, ist die Portugiesin Dulce Maria Cardoso. In ihrem Roman "Die Rückkehr" erzählt sie von kolonialem Alltag, von Heimatverlust und einer scheinbar nie endenden Vergangenheit. Außerdem spricht "ttt" mit dem österreichischen Schriftsteller Karl-Markus Gauß, der in diesem Jahr den Leipziger Buchreis zur Europäischen Verständigung erhalten hat. Alle Themen im Überblick.
Die Kultursendung "ttt - titel, thesen, temperamente" richtet den Blick auf die Bücherstadt Leipzig. Hier finden am Wochenende diverse Literaturveranstaltungen statt, die als Reaktion auf die Absage der Leipziger Buchmesse von unterschiedlichen Akteuren ins Leben gerufen wurden. Herzstück der Alternativ-Veranstaltungen ist wohl die Popup-Buchmesse im alternativen Stadtteil Connewitz, die heute (18. März) eröffnet wird. "ttt" stellt die portugiesische Autorin Dulce Maria Cardoso vor, die ebenfalls in Leipzig zugegen ist, um ihren Roman "Die Rückkehr" vorzustellen. Außerdem spricht "ttt" mit Karl-Markus Gauß, der in diesem Jahr den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhalten hat.
Trotz Absage: Leipzig setzt mit Popup-Buchmesse ein Zeichen
Die Absage der diesjährigen Leipziger Buchmesse kam für alle Beteiligten überraschend. Denn im Vergleich zu den Vorjahren, in denen das Corona-Virus ein ganz direkter und dringlicher Grund der Absagen gewesen war, spielte das Virus in diesem Jahr nur eine indirekte Rolle. Die Durchführung der Messe wäre, aus Sicht der Veranstalter und der Stadt Leipzig, problemlos möglich gewesen. Dass die Bücherschau dennoch ausfiel, fußte auf dem Umstand, dass einige große Verlage nicht ausreichend Personal nach Leipzig schicken wollten. Die Gesundheit der Mitarbeitenden, so die Argumentation, habe oberste Priorität. Was jetzt in der Messestadt auf die Beine gestellt wurde, ist ein vielversprechendes Konzept: Eine Popup-Buchmesse im alternativen Stadtteil Connewitz, an der immerhin 60 Verlage teilnehmen. Verschiedene Lesungen werden im gesamten Stadtgebiet stattfinden, dazu Gespräche, die sich in diesem Jahr allerdings weniger mit Corona, dafür stärker mit dem Krieg in der Ukraine auseinandersetzen werden. Außerdem wird der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen. "ttt" spricht mit den Initiatoren der "buchmesse_popup" Gunnar Cynybulk und Leif Greinus, mit der Staatsministerin für Kultur Claudia Roth und natürlich mit Autor- und VerlegerInnen.
Fremd im Mutterland - Die Rückkehr der Portugiesen aus Angola
Angola gehöre uns, behauptete einst der portugiesische Diktator António Salazar. 1975, ein Jahr nach der Revolution im Mutterland, endet Portugals Kolonialherrschaft. Was folgt, ist das Trauma der Rückkehrer. Die portugiesischen Familien, die in Angola Unterdrücker waren, werden im eigenen Mutterland verachtet. Die portugiesische Schriftstellerin Dulce Maria Cardosos beschreibt in ihrem Roman "Die Rückkehr" von kolonialem Alltag, von Heimatverlust und einer Vergangenheit, die bis in die Gegenwart hineinragt und scheinbar niemals endet will. In Leipzig stellt sie ihren Roman vor.
Karl-Markus Gauß erhält den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung
In seinen Büchern und Schriften zeichnet der Österreicher Karl-Markus Gauß immer wieder ein Europa der Vielstimmigkeit, welches unterschwellig stets von Differenzen begleitet ist, die sowohl Konflikte als auch Zusammenhalt befördern. Der Germanist, Essayist und Herausgeber der Zeitschrift "Literatur und Kritik" richtet seinen Blick weit über die Grenzen Salzburgs hinaus. Angetrieben von den Frage, wie Menschen in Europa zusammenleben, bereiste er wenig bekannte Orte in Randregionen Europas in Albanien, Tschechien oder Ungarn, um die ethnische Vielfalt zu beleuchten, auf innereuropäische Migrationsbewegungen hinzuweisen und die Bedeutung von Grenzen hervorzuheben. Ein wichtiges Beispiel Gauß ist die "Europastadt" Görlitz, deren Stadtteil Zgorzelec nach dem 2. Weltkrieg an Polen fiel. Beide Stadtteile, getrennt durch die Neiße, wachsen heute wieder zusammen, über die nationale Grenze hinweg. Das geschieht nicht auf Anordnung aus Brüssel.
Für seinen Essayband "Die unaufhörliche Wanderung" erhält Gauß den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Nach den Ereignissen in der Ukraine hat Gauß seine Dankesrede umgeschrieben. Selbstverständlich sei die russische Invasion zu verurteilen. Ein weiterer Gedanke sollte dabei aber auch erwähnt werden: Wie sehr man die russische Invasion und den Machthaber im Kreml auch verurteilen muss, so darf sich diese Verurteilung nicht allgemein gegen "die Russen" richten. Vielmehr verlangen jene mutigen Russen, die auf der Straße demonstrieren und schwere Strafen in Kauf nehmen, all unseren Respekt. "ttt" hat Karl-Markus Gauß in Salzburg besucht.
Der Dokfilm "A House Made of Splinters"
Welche Spuren lässt der Krieg auf den Seelen von Kindern? In Lyssytschansk, einer Stadt unweit der Frontlinie zur selbsternannten Volksrepublik Lugansk in der Ostukraine, gibt es ein Kinderheim, welches sich um die Kinder aus der vom jahrelangen Konflikt zerfressenen Gegend kümmern.
Der Dokumentarfilm "A House Made of Splinters" des dänischen Regisseurs Simon Lereng Wilmont porträtiert dieses Heim und seine Kinder als einen behüteten Ort. Beim berühmten Sundance Film Festival bekam Lereng Wilmont Ende Januar für seinen einfühlsamen Film den Regiepreis. Drei Wochen später gibt es das Heim nicht mehr.
Ausstrahlung
"ttt - titel, thesen, temperamente" wird am 20. März 2022 um 23:05 Uhr im MDR ausgestrahlt. Außerdem ist die Folge am Sendetag ab 20:00 Uhr in der ARD Mediathek abrufbar.
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