"Das idiotischste, was man machen kann" Schriftsteller Navid Kermani gegen Boykott russischer Literatur

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Der Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani hat sich gegen einen Boykott russischer Literatur ausgesprochen, wie er unlängst von Seiten verschiedenster ukrainischer Kulturinstitutionen gefordert wurde. Ein Austausch mit der russischen Zivilgesellschaft sei weiterhin wichtig, betonte Kermani gegenüber der Deutschen Presse Agentur. "Tschaikowski nicht aufzuführen, ist das Idiotischste, was man machen kann."

Der Schriftsteller und Friedenspreisträger Navid Kermani hält nichts von den Forderungen, russische Kunst und Kultur zu boykottieren. Gegenüber der Deutschen Presseagentur findet er deutliche Worte. Bild: Lesekreis - Eigenes Werk (Wikipedia)

Der Friedenspreisträger Navid Kermani hält die Weiterführung des Austauschen mit der russischen Zivilgesellschaft für essentiell. Russische Kunst und Kultur zu boykottieren könne nicht die Antwort auf die von Putin ausgehenden Aggressionen sein, sagte der Schriftsteller der Deutschen Presseagentur in Köln. Ukrainische Kulturinstitutionen hatten zuletzt gefordert, russische Literatur aus den Buchhandlungen zu verbannen, keine Rechte russischer Verlage mehr zu erwerben und Übersetzungen einzustellen. Mehrere Autorinnen und Autoren, sowie die IG Meinungsfreiheit hatten sich strikt gegen einen solchen Boykott ausgesprochen. Auch Kermani verwehrt sich vehement. Er findet deutliche Worte: "Jetzt auch noch die russische Kultur zu boykottieren, Tschaikowski nicht aufzuführen, ist das Idiotischste, was man machen kann."

Krieg in der Ukraine bereits 2016 "beängstigend genau" vorhergesagt

In seinen Büchern hatte Kermani viele der Städte beschrieben, die gegenwärtig in der Ukraine bombardiert und zerstört werden. "Das ist natürlich gespenstisch und einfach katastrophal, auch emotional erschütternd, wenn man selbst durch diese Städte gelaufen ist." Als er 2016 in der Ukraine war, hätten viele Bewohner die jetzige Situation "beängstigend genau" vorhergesagt.

Wo war die große Solidarität, als Grosny und Aleppo zerstört wurde?

Bei der Eröffnung des Literaturfestivals Lit.Cologne am Dienstagabend, äußerte sich Kermani nachdenklich und selbstkritisch, sprach von einer Bitterkeit und Traurigkeit, da es die große Solidarität, die man jetzt "zum Glück" beobachten könne, Ende der 90er Jahre nicht gab, als Grosny laut UN-Angaben die am meisten zerstörte Stadt der Welt war. Ebenso wenig Solidarität habe es gegeben, als Aleppo zerstört wurde.

"Und als der Donbass überfallen worden ist und die Krim besetzt worden ist, das waren die Jahre, als Deutschland sein Gasgeschäft mit Russland erst richtig ausgebaut hat. Jetzt ist es 2022, und jetzt ist der Krieg halt hier."

Kermani sprach sich deutlich für weitergehende Solidarität mit der Ukraine aus, hält die Einrichtung einer Flugverbotszone allerdings für einen nicht ungefährlichen Schritt in Richtung "maximaler Eskalation". Eine Verbotszone würde bedeuten, dass die Nato russische Flugzeuge abschießen und russische Luftwaffenstützpunkte bombardieren müsste. Der Konflikt, so der Schriftsteller, würde dadurch ein anderer werden.

Sinnvoller sein ein Komplettboykott von russischem Gas und Öl. "Das wäre ein ganz klarer Hebel, der sofort Auswirkungen hätte." In diesem Zusammenhang könne er sich auch wieder freie Sonntage wie in den 70er Jahren vorstellen. "Das effektivere Mittel ist, nicht die Eskalationsspirale mitzumachen, sondern an der Quelle anzusetzen, wo dieser Krieg finanziert wird."

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