Der Schriftsteller Wladimir Kaminer blickt kritisch und besorgt auf die jüngsten Ereignisse im Russland-Ukraine-Konflikt. Präsident Putin sei eine internationale Bedrohung, Russland eine Gefahr für den Weltfrieden, sagte Kaminer gestern der Deutschen Presseagentur, und stellte dabei konkrete Forderungen an die europäische Politik. Auch der belarussische Autor Sasha Filipenko meldete sich zu Wort, und bezeichnete das Vorgehen Putins in einem taz-Interview als das Resultat europäischer und amerikanischer Untätigkeit. Ähnlich sieht es auch der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch.
Russlands Angriff auf die Ukraine erschütterte heute morgen die Welt. Auf erschreckende und blutrünstige Weise ist über Nacht Realität geworden, wovor unter anderem diverse Schriftsteller in den letzten Tagen wiederholt gewarnt hatten. Autoren wie Wladimir Kaminer, Juri Andruchowytsch oder Sasha Filipenko positionierte sich mit sehr klaren Worte zur aktuellen Situation und machten deutlich, dass Putins Aufmarsch - angesichts des langjährigen, westlichen Desinteresses - alles andere als überraschend sei. So verwies Wladimir Kaminer in einem Interview mit dem NDR auf die tiefe Kluft, die zwischen den Ambitionen deutscher Politiker und den Absichten Putins liegt. Die Welt, in der Lauterbach, Scholz und Baerbock bereits seit Jahren leben und handeln, ist nicht die Welt Putins, hob der Schriftsteller noch einmal hervor. Während die einen über die Zukunft der Welt spekulieren, sich mit CO2-Reduktion und den Folgen des Klimawandels beschäftigen, will der russische Präsident - wie Kaminer gegenüber der DPA sagte - das "Rad der Geschichte zurückdrehen".
Der fundamentale Widerspruch
Am Grunde dieses tödlichen Konflikts liegen also zwei Grundverschiedene Idealwelten, zwischen denen 200 Jahre liegen. Während der Westen damit beschäftigt ist, die kommenden 100 Jahre zu gestalten, wendet sich Putin auf radikalste Weise der Vergangenheit zu und setzt nun eine Bewegung in Gang, die Schritt für Schritt mit Blutvergießen bezahlt werden muss.
Kaminer bezeichnet Putin als einen russischen James Bond. "Das ist auch ein Teil dieses Problems. Wäre er Bäcker in seinem frühen Leben gewesen, hätten wir jetzt ganz viele neue Brotsorten und tolle Bäckereien in Russland", sagt er im NDR-Interview. Da Putin allerdings Spion gewesen sei, befänden uns heut in einem schlechten James Bond Film. Der Autor warnt davor, die russische Bevölkerung mit der politischen Führung gleichzusetzen. Die Russen seien Europäer, keine "Aggressiven, Betrunkenen, die alle Nachbarn bedrohen wollen."
Wladimir Kaminer: Russland als Gefahr für den Weltfrieden
Der Deutschen Pressen-Agentur sagte Kaminer kürzlich, Russland sei "eine große Gefahr für die europäische Sicherheit und für den Weltfrieden". An die europäische Politik richtete er den Vorwurf, sie habe sich nie wirklich für die Probleme der Ukraine interessiert. Nun müsse sich ganz Europa mit den Problemen Putins beschäftigen. "Das klingt verrückt, ist aber so."
"In einer Situation, wo das politische Personal nicht abgewählt werden kann, kann es durchaus passieren, dass dieses politische Personal, in unserem Fall nur ein Mann, dann ein Eigenleben entwickelt mit irgendwelchen politischen Zielen, die nicht mehr den Interessen seines Landes, seines Volkes oder dem Wohlstand seiner Gesellschaft dienen." (Wladimir Kaminer/dpa)
Kritik an die EU und den USA
Auch der belarussische Autor Sasha Filipenko konstatiert eine Versagen des Westens. In einem Interview mit der taz sagte er, Putins Vorgehen sei der Preis, den Europa und die USA jetzt für ihre Untätigkeit zahlen müssen. "Während der Westen noch diskutiert, handelt er, reißt alles an sich, was er will." Ähnlich sieht es auch der Autor Juri Andruchowytsch, eine der wichtigsten Stimmen der ukrainischen Literatur. Nur wenig Leute hätten sich in den vergangenen Jahren für die Ukraine interessiert. Er selbst bekomme erst jetzt Anfragen aus ganz Europa.