Die Entrüstung über die Absage der Leipziger Buchmesse schlägt in Produktivität um. Mehr als 50 Verlage wollen vom 18. bis zum 20. März eine Alternativveranstaltung ausrichten, auf der, wie die Initiatoren kürzlich bekannt gaben, etwa 5000 Zuschauern um die 60 Lesungen präsentiert werden sollen. Als Veranstaltungsort für die Pop-up-Messe hat man das "Werk2" im Leipziger Stadtteil Connewitz ausgewählt. Ein Protest, der keiner sein will.
"Buchmesse_popup": Mehr als 50 Verlage stampfen Leipziger Literaturveranstaltung aus dem Boden
Es ist ein kreatives Aufbäumen innerhalb eines Literaturbetriebs, der es sich in den letzten Jahren - auch vor Corona bereits - zwischen Planung und Konzeption, Absatz, Aufschwung, Konjunktur und Depression gemütlich gemacht hat. Eine Alternative jenseits starrer Begriffe wie "Kulturtechnik", die immer auch eine gewisse Sicherheit mit sich bringen, etwas Greif- und Berechenbares, ein "wir planen mit..." oder "wir hoffen auf..." oder "unsere Erwartungen liegen bei..." - Ausführungen also, die den Anschein erwecken, Kultur wäre die kleine Schwester der Politik, denn jedenfalls rhetorisch überschneiden sich die Ankündigungen unüberhörbar. Ja, es ist ein Aufbruch im doppelten Wortsinn, eine Revolte ohne Gegner, der Revolte wegen. Es ist, schließlich, das Veranstaltung gewordene "Wir wollen lesen!", mit dem Autorinnen und Autoren in einem Schreiben vor einiger Zeit auf die Absage der diesjährigen Leipziger Buchmesse reagiert hatten. Mehr als 50 Verlage haben sich nun zusammengetan, um die Alternativbuchmesse "Buchmesse_popup" auf die Beine zu stellen. Keine Kleinstverlage, sondern gestandene Institutionen wie C. H. Beck, Suhrkamp, Wagenbach, Klett-Cotta und Matthes & Seitz stehen auf der Liste. Die Veranstaltung soll vom 18. bis zum 20. März im Connewitzer "Werk2" stattfinden.
Die Ausrichtung einer Alternativmesse ist aber mehr als nur das Resultat der Proteste "wütender", "trauriger" und "fassungsloser" AutorInnen, die jahrelang an ihren Büchern gearbeitet und nun keine Möglichkeit haben, diese einem Publikum zu präsentieren. Es ist - wie üblich - der abschätzige Umgang mit der Kultur und ihren VertreterInnen im Allgemeinen, der sich in der spontanen Schöpfung kultureller Alternativ-Wege spiegelt. Der Schrei nach Unabhängigkeit, der laut wird, wenn jene, von denen man sich hat abhängig machen müssen, zu verkrampft agieren, zu behäbig. Wenn die Lust zu schreiben, zu lesen, zu verlegen von im weitesten Sinne literaturexternen Rahmen beschränkt und eingeengt wird.
Nicht gegen die Buchmesse, nicht gegen die Verlage gerichtet
So verkünden die Initiatoren Leif Greinus (Roland & Quist Verlag) und Gunnar Cynybulk (Kanon Verlag) auf der Website der Pop-up-Messe: "Nach der Absage der hochgeschätzten Leipziger Buchmesse wollten wir nicht untätig bleiben. Unser aller Autor:innen und ihre Bücher brauchen die positive Energie, die von Leipzig im Frühjahr ausgeht."
Die Initiative sei dabei weder gegen die Leipziger Buchmesse, noch gegen die Verlage gerichtet, die ihre Teilnahme abgesagt hatten, bekräftigt unter anderem der Klett-Cotta-Verleger Tom Kraushaar. Man will die Veranstaltung also nicht als Protest verstanden wissen; jedenfalls nicht als Protest gegen bestehende Institutionen, die sich unmittelbar angegriffen fühlen könnten. Und doch wohnt dieser Entscheidung eine Euphorie inne, eine Energie, die sich plötzlich entlädt und in ihrer produktiven Kraft durchaus an jäh entflammende Proteste erinnert.