In der nächsten Ausgabe von „Druckfrisch“ am Sonntag, 27. Februar 2022, um 0:05 Uhr im Ersten spricht Denis Scheck in Istanbul mit dem türkischen Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk, dessen neuer Roman von Menschen in der Epidemie erzählt – während der Pest Anfang des 20. Jahrhunderts auf einer Insel im osmanischen Reich. Mit den Augen des spanischen Schriftstellers Fernando Aramburu geht es auf eine Reise durch Deutschland. In seinem „glücklichsten“ Buch schildert Aramburu eine lange Autoreise mit seiner Frau Clara durch die graue deutsche Provinz. Denis Scheck trifft den Autor in seiner Wahlheimat Hannover.
Orhan Pamuk: Die Nächte der Pest
Quarantäne, Reiseverbote und unbelehrbare Seuchen-Leugner: Es ist alles schon da gewesen. Nur viel früher. Im Jahr 1901 bricht auf der Mittelmeer-Insel Minger die Pest aus. Ein Quarantäne-Arzt und Abgesandter des Sultans soll die Lage in den Griff bekommen. Doch er trifft auf Ablehnung, Nationalismus und Aberglaube. Die einen leugnen die Gefahr der Seuche, die anderen suchen Schuldige. Der tödliche Erreger droht die osmanische Insel, auf der orthodoxe Griechen und muslimische Türken zusammenleben, noch stärker zu spalten. Und die Schiffe des Sultans wie auch die der westlichen Mächte errichten eine Seeblockade. Unter dem Druck von innen wie von außen wandelt sich das Leben auf Minger immer mehr in ein autokratisches Regime. Das weist derart viele Parallelen zur heutigen Türkei auf, dass sich Orhan Pamuk mit der Veröffentlichung der türkischen Ausgabe seines Romans bereits eine Klage wegen „Beleidigung Atatürks und der türkischen Fahne“ einhandelte. Aus dem Türkischen übersetzt wurde der Roman von Gerhard Meier.
Fernando Aramburu: Reise mit Clara durch Deutschland
Pinkelt doch ein anarchistischer Spanier auf den Kreidefelsen von Rügen! Von dieser Ungeheuerlichkeit ist gerade viel zu lesen in den Rezensionen, die zu „Reise mit Clara durch Deutschland“ erschienen sind. Das deutsche Nationalheiligtum – besudelt von einem erfolglosen, zu Sarkasmus neigenden Schriftsteller, der seine Ehefrau für eine Recherchereise durch die norddeutsche Tiefebene begleitet. Sie soll einen Reiseführer über Deutschland schreiben. Am Ende scheitert das Projekt – doch heraus kommt ein früher Roman des baskischen Autors, das auf Spanisch bereits im Jahr 2010 erschien. Nachdem Aramburu mit seinem Roman „Patria“ auch in Deutschland eine Fangemeinde aufgebaut hat, folgt nun die Übersetzung des Romans von Willi Zurbrüggen.
Michael Sommer: Dark Rome
Denis Scheck empfiehlt „Dark Rome“ von Michael Sommer, ein Sachbuch, das auf die dunkle Seite des Römischen Reiches führt. Sommer erzählt eine Sittengeschichte des Imperiums – anekdotenreich, faktensatt und voller historischer Rätsel. Denis Scheck meint: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Was der deutsche Althistoriker Michael Sommer in seinem äußerst kurzweiligen Buch über das geheime Leben der Römer daraus zutage fördert, liest sich faszinierend.“ Klug und differenziert handelt das Buch von Kaisern und Aufständischen, von Bettgeschichten, Geheimschriften und Wunderwaffen, aber auch von Hochstaplern, Attentätern, Giftmischerinnen – und von dem nicht genug zu beklagenden Verlust durch Büchervernichtungen im fünften und sechsten Jahrhundert.
Außerdem in „Druckfrisch“: Musik des südafrikanischen Pianisten Abdullah Ibrahim und – wie immer – Denis Schecks erfrischend pointierte Revue der „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Sachbuch).