Dass die Idee einer Parlamentspoetin die Poesie Funktion werden lässt und dadurch im Grunde degradiert, hatten wir bereits in einem früheren Beitrag festgestellt. Allmählich intensiviert sich die Debatte und wird auch aktiv von Abgeordneten diskutiert. Ausgerechnet der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki überzeugt dabei argumentativ, und scheint dem Wesen der Literatur näher zu sein, als viele seiner Kolleginnen und Kollegen.
Die Idee klingt so harmlos, unaufgeregt und nett wie die Biografie von Annalena Bärbock, deren größter Rückschlag bekanntlich ein Trümmerbruch im Fuß war, der dazu führte, dass die spätere Grüne-Politikerin ihre Trampolin-Karriere beendeten musste. Die Schriftstellerinnen Simone Buchholz, Mithu Sanyal und der Autor Dmitrij Kapitelman forderten vor einiger Zeit in einem SZ-Artikel die Einführung des Amtes einer Parlamentsdichterin nach kanadischem Vorbild. Die Debatte nimmt allmählich Fahrt auf. Die Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) begrüßte den Vorschlag. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki wandte sich dagegen.
Künstler sollten nicht bei Herrschenden angestellt sein
Bereits in einem früheren Beitrag hatten wir darauf aufmerksam gemacht, dass die Besetzung eines solchen Amtes - sollte es denn eingeführt werden - die entsprechende Autorin künstlerisch entmachten würde. "Wichtiger als jede von der künftigen Parlamentsdichterin geschriebene Zeile, wäre die Tatsache, dass sie eine Parlamentsdichterin ist." Und also solche wäre sie (oder er) in einem Anstellungsverhältnis befangen, wie der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki richtigerweise anmerkt. In einem Interview mit dem Tagesspiel sagte dieser, er könne dem Vorschlag nicht viel abgewinnen.
„Künstler sollen eigentlich Stachel im Fleisch der Herrschenden sein, nicht deren Angestellte. Besser wäre es eher, allen Künstlern, die durch die Pandemie schwer getroffen wurden, die Möglichkeit der freien Betätigung zu geben, statt ein solches elitäres Projekt zu implementieren."
Vorbild ist die US-Dichterin Amanda Gorman
Vorbild für die Autorinnen Mithu Sanyal, Dmitrij Kapitelman und Simone Buchholz ist die maßlos überschätzte US-Dichterin Amanda Gorman. Gormans Gedicht "The Hill We Climb", gelesen bei der Amtseinführung des US-Präsidenten Joe Biden, hatte, so schreiben es jedenfalls die Zeitungen, die Welt bewegt. Einen Satz aus diesem weltbewegenden Gedicht zitieren, können dann allerdings die wenigsten. Aber der Mantel. Stimmt. Der Mantel war gelb. Das ist die Idee einer Parlamentspoetin. Sieht beeindruckend aus, redet irgendwie bewegend, und dann scrollen wir weiter. Ach dann führt sie doch einfach ein.