Mathias Menegoz´ meisterhafter Roman "Karpathia": Vom Kaffeehaus in die Düsternis

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Ein heruntergekommenes Stammschloss, ein ignoranter Adelsträger, eine soziale Unterschicht in vollkommener Abhängigkeit, und eine ordentliche Portion Wut. In Mathias Menegoz´2014 erschienene Roman wird gezeigt, unter welchen Umständen sich Revolten bilden, und wie blutrünstig Gesellschaften aufeinandertreffen können. Bild: Frankfurter Verlagsanstalt

Der 2014 veröffentlichte, schauerhafte Roman "Karpathia" des Franzosen Mathias Menegoz hat nichts an Aktualität verloren. Er zeigt eindrucksvoll, dass mythische Erzählungen insbesondere dort auf fruchtbaren Boden treffen, wo Anbindungen gekappt und Menschen mehr oder weniger auf sich selbst zurückgeworfen sind. In "Karpathia" wird ein am Rande der rumänischen Karpaten liegendes Stammschloss - eine finster anmutende Burg mitten in Transsilvanien - zum Ausgangspunkt blutiger Auseinandersetzungen. Menegoz zeigt Revolte, Hass und Anfeindungen innerhalb einer archaischen Gesellschaft, deren Bevölkerungsgruppen sich feindlich gegenüberstehen. Er zeigt die Ignoranz des Adels, und wie blinder Machtanspruch in vollkommener Zerstörung enden kann.

Wien, 1833. Der junge Graf Alexander Korvanyi duelliert sich mit einem Offizier, der kurz zuvor des Grafen Angebetete, die 18-jährige Cara von Amprecht, nebenher beleidigt hatte. Korvanyi wird das Duell gewinnen, wird seinen Konkurrenten niederschießen und somit wieder ins Reine bringen, was soeben beschmutzt wurde. Der französische Autor Mathias Menegoz führt uns in seinem großartigen Roman "Karpathia" ein Wien vor Augen, welches, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, von Gesetzmäßigkeiten und Konvention durchdrungen ist. Die Ehre ist ein wichtiges Gut in der kaiserlichen Hauptstadt, ein Gut, welches im Zweifel mit dem Leben erkämpft und verteidigt werden muss.

In dieser sauberen Ehrenkodex-Gesellschaft werden wir allerdings nicht allzu lang verweilen; denn Graf Alexander Korvanyi und seine mittlerweile Vermählte wird es bald schon Richtung Familien-Stammsitz ziehen, in eine Burg, die sich am Rande der Karpaten befindet, mitten in Transsilvanien. Die Reise zum Stammschloss ist zugleich eine Reise in andere gesellschaftliche Verhältnisse. Zunächst geht es per Schiff die Donau entlang, dann mit der Kutsche auf heruntergekommenen, engen Straßen durch verarmte Dörfer. Immer ferner glänzt das kaiserliche Wien, immer werden die Konventionen, an die man sich im städtischen Gedränge halten konnte

Unterschiedliche Sprachen, konkurrierende Religionen

Am Rande des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaats spricht man Ungarisch, Rumänisch und Russisch. Die hier lebenden Bevölkerungsgruppen - sächsische Siedler, Magyaren und rumänische Walachen - leben unter archaischen Bedingungen in völliger Abhängigkeit der Feudalherren. Man beäugt sich untereinander, Misstrauen und Verachtung liegen in der Luft. Graf Korvanyi trifft völlig unvorbereitet auf diese schwierige, in sich brodelnde Konstellation. Hinzu kommt nicht nur, dass das endlich erreichte Schloss völlig heruntergekommen und marode ist, sondern auch der Aberglaube der Bauern, die den jungen Grafen für einen Vampir halten. Außerdem treibt eine Schmugglerband auf den Ländereien ihr Unwesen.

Korvanyi muss handeln. Er beschließt, die benachbarten Adligen und ein Regiment der Grenzinfanterie zu einer mehrtägigen Jagt einzuladen. Hinter diesem Vorwand jedoch verbirgt sich der Plan, gemeinsam gegen die Bande vorzugehen, um die grundherrschaftliche Ordnung wieder herzustellen. Nicht nur Korvanyi Stimmung verdüstert sich mit der Zeit zunehmend. Alles in diesem Roman wendet sich ins Finstere. Intrigen, Neid, Angst um Besitzt und Ansehen. Letztlich kulminiert all dies in blutrünstigen Auseinandersetzungen.

Brisant und aktuell

Mathias Menegoz schreibt über die Voreingenommenheit großstädtischer Ignoranz. "Karpathia" zeigt, wie sich, fernab der von den Eliten hergestellten Öffentlichkeit, eigene, skrupellose Dynamiken bilden, die großes Gewaltpotential in sich tragen. Gerade hier, wo die Auswüchse dieser Dynamiken auf den Machtanspruch eines Einzelnen treffen, ist Menegoz´ Roman überzeugend. Dass unter anderem religiöser Fanatismus, jahrelang herrschende Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit als Triebfedern der Eskalation ausgebreitet und umschrieben werden, lässt diesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielenden Roman erschreckend aktuell erscheinen.


Mathias Menegoz: "Karpathia", Aus dem Französischen von Sina de Malafosse, Frankfurter Verlagsanstalt, 680 Seiten, 28 Euro



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