In der kommenden Ausgabe der Literatursendung "Druckfrisch" (Sonntag, 31. Oktober) spricht Moderator und Kritiker Denis Scheck mit der Philosophin und Autorin Svenja Flaßpöhler ("Die potente Frau") über Sensibilität. Wo gibt es davon gegenwärtig zu viel, wo zu wenig? Im Gespräch mit der Berliner Schriftstellerin Julia Franck wiederum, wird es um eine Kindheit ohne Sicherheit gehen.
In der kommenden Ausgabe von "Druckfrisch" geht es um Sensibilität und Kindheitserfahrungen. Zu Gast sind die Philosophin Svenja Flaßpöhler, die, im Anschluss an der MeToo-Debatte 2018, mit ihrer Streitschrift "Die potente Frau" ein streitbares, sich dem Twitter-Hype entgegenstellendes, feministisches Buch geschrieben hat, und sich nun dem Thema "Sensibilität" widmet. Außerdem spricht Scheck mit der Schriftstellerin Julia Franck, die in ihrem neuen Buch "Welten auseinander" über eine Kindheit zwischen und unter Erwachsenden schreibt, die sich um sich und ihre Kunst, aber selten um das eigene Kind gekümmert haben.
Denis Scheck empfiehlt:
"Soleman der Unsichtbare" von Alexander Moritz Frey. In diesem skurril-anarchischen Roman aus dem Jahre 1914 geht es um einen schwerreichen Lebemann, dessen Anwesenheit die Bürger und Bürgerinnen einer Kleinstadt erst verzaubert, dann zur Raserei bringt. Im Anschluss gibt es natürlich den obligatorischen, kritischen Blick auf die Spiegel Bestsellerliste. Dieses Mal die Kategorie Sachbuch.
Svenja Flaßpöhler: "Sensibel"
In ihrem neuen Buch "Sensibel" blickt Svenja Flaßpöhler kritisch auf die zuweilen Hypersensibilität unserer Gesellschaft, auf die Erregung in den Debatten, die heute aufleuchten und morgen schon wieder von einem anderen Feuer ersetzt zu werden. Ja, ein ausgeprägtes Sensorium für Diskriminierung und Rollenklischees, für seelische und sprachliche Gewalt entwickelt zu haben, ist ein zivilisatorischer Fortschritt. Was aber, wenn Debatten sogleich und ausschließlich in binären Freund-Feind-Konstellationen stattfinden? Warum, fragt Flaßpöhler, stiftet die erhöhte Sensibilität kein neues Miteinander?
Eine eigentlich positive Entwicklung droht so in ihr Gegenteil zu fallen. Bei Themen wie Identität, gendergerechter Sprache und politischer Korrektheit stünden oft nurmehr Gefühle im Vordergrund, die Anforderungen und Mühen einer gesellschaftsdurchdringenden Umsetzung von Gerechtigkeit werden mit einem "aber ich will" abgetan. Anstelle der Gemeinschaft tritt die individuelle Verletzlichkeit und Larmoyanz tausender Einzelner. Wir müssen wieder lernen, so Flaßpöhler, Widersprüche auszuhalten und über sie zu streiten. Ohne Resilienz, also besonnene Widerstandskraft, werde uns das nicht gelingen. "Sensibel" ist ein kluges Buch über die Dialektik unseres reizbaren Zeitgeistes und über Wege, seine Blockaden zu überwinden.
Julia Franck: "Welten auseinander"
Julia Franck wuchs in Ost-Berlin, Schleswig-Holstein und dann West-Berlin auf. Sich selbst nennt sie ein "Nomadenkind", welches ebenso frei und unbehütet zwischen und unter Erwachsenden aufwuchs, die sich als Bohèmiens um sich und ihre Kunst, aber kaum um die Kinder kümmerten. Fernab einer "gewöhnlichen" Kindheit wurde sie frühzeitig mit der Erfahrung konfrontiert, anders zu sein, ein besonderes, aus dem bürgerlichen Rahmen fallendes Leben zu leben.
"Wir erinnern uns an Ereignisse und unsere nächsten Menschen vollkommen unterschiedlich - so unterschiedlich, wie wir für uns selbst und voneinander träumen." Kein Roman, kein Memoir - Julia Franck sucht mit diesem leisen, intensiven Buch nach der "Fremden", die sie selber ist: in Erinnerungen an schöne und schmerzhafte Momente, die aus ihr eine Schriftstellerin gemacht haben.