Philipp Stölzle hat Stefan Zweigs Weltbestseller, die "Schachnovelle", in ein düsteren, wahnhaften Thriller verwandelt. Sechzig Jahre, nachdem der Regisseur Georg Oswald das Buch weitestgehend am Text entlang verfilmt hatte, wird uns hier eine Darstellung geboten, die recht frei mit dem Werk umgeht. Stölzle legt sein Augenmerk vor allem auf die quälende Isolationshaft des Protagonisten Josef Bartok.
Früher, da ging er, Josef Bartok, wohlhabend und stolz, mondän und adrett gekleidet in die Oper; witzelte über Goebbels und sagte: "Solange Wien tanzt, kann die Welt nicht untergehen". Früher, das war vor der Nacht seiner Festnahme, vor der Isolation, die Zeit, bevor Wien aufhörte zu tanzen und sich die Welt, vor allem seine, innerhalb kürzester Zeit verfinsterte. Jetzt ist dort, wo damals Walzer getanzt und in die Oper gegangen wurde, wo Prunk und Roben und Vermögen waren, nurmehr Wahn und Angst. Selbst die Sonnenstrahlen auf seiner Haut könnten immer auch nur Teil eines wahnwitzigen Spieles sein.
In seiner Verfilmung des großen Stefan Zweig Werks "Schachnovelle" konzentriert sich der Regisseur Philipp Stölzle wesentlich stärker auf die Zeit der Wiener Isolation, als es Stefan Zweig in seinem, wenige Monate vor seinem Freitot geschrieben, Buch getan hatte. Im Film genügt die einfache Betrachtung einer Glühbirne, um eine Erinnerung Bartoks anzuregen, und ihn zurück in die Hölle der von den Nationalsozialisten angeordneten Isolation-Haft zu schicken. Vielleicht aber, endete diese bisher überhaupt nicht.
Isolation zentraler als in der Novelle
Der Film liefert nebelbehangene, düstere Bilder, die schnell an Psychothriller wie Shutter Island erinnert lassen. Und in etwa diese doppelbödige, zuweilen schizophren Richtung schlägt Stölzle dann auch ein. Der Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien löst die zuvor dargebotenen pompösen Bilder ab. Eben noch sahen wir den Notar Dr. Bartok inmitten seiner prunkvollen Jugendstilvilla, schon wird er von der Gestapo festgenommen und abtransportiert. Man schafft ihn in ein beinah lichtloses Zimmer - kein Stift, kein Papier, kein Buch, keine Kommunikation. Nur die hin und wieder die Schreie der Gefolterten. Hier, in Isolationshaft, wird Bartok immer wieder nach den Kontodaten seiner wohlhabenden Klienten betgefragt. Mit einem Trick schafft er es jedoch, die Daten zu verschweigen. Heimlich hat er ein Buch entwenden und mit ins Zimmer schleusen können. Kein literarisches Werk, sondern eine Sammlung berühmter Schachzüge, die er, Bartok, um dem Wahnsinn zu entkommen, ständig wiederholt, wieder und wieder im Kopf nachspielt und schließlich auswendig lernt. Der Befragung kann er dadurch standhalten. Dem Wahnsinn entkommen kann er nicht.
Zwei Erzählstränge
Auf einer nächsten Ebene erzählt der Film dann die in Zweigs Novelle zentral angelegte Geschichte: Die Dampferüberfahrt nach Amerika, auf der der mittlerweile aus seiner Haft entlassene Josef Bartok auf einen Schachweltmeister trifft. In ihm erkennt Bartok den Gestapo-Chef wieder, der ihn verhörte. Das Schachspiel legt sich so über die Folter, die ebenso als eine Abfolge taktischer Züge umschrieben werden kann. Ebenso wie die Foltergeschichte und die Schilderung der Amerika-Überfahrt im Laufe des Films zunehmen ineinander treiben, überlappen sich auch Folter und Schachspiel. Dabei wird immer unklarer, ob es sich bei der Schifffahrt um ein reales, oder vom Häftling wahnhaft halluziniertes Ereignis handelt.
Besetzung
- Oliver Masucci: Dr. Josef Bartok
- Birgit Minichmayr: Anna Bartok
- Albrecht Schuch: Franz-Josef Böhm
- Moritz von Treuenfels: Schutzmann Erich
- Carl Achleitner: Herr Faber
- Clemens Berndorff: Swoboda
- Eric Bouwer: Dr. Wouters
- Lukas Miko: Gustav Sailer
- Rafael Stachowiak: Harry
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