Der Regisseur Marc Bauder hat Roger Willemsens Essay "Wer wir waren" ins bildliche Übersetzt. Im gleichnamigen Kinofilm kommen sechs Denkerinnen und Denker zu Wort, um über die Lage unseres Planeten zu sprechen. Willemsens Überzeugung, es sei insbesondere die "Rasanz" unserer Zeit, die uns am meisten schade, findet sich auch im Film wieder. Egal ob in den Tiefen der Weltmeere oder im All.
"So gingen wir, nicht aufgehalten von uns selbst.", heißt es an einer prägnanten Stelle in Roger Willemsens als "Zukunftsrede" veröffentlichten Essay. Das schmale Buch wurde zum Vermächtnis des großartigen Publizisten, der darin, wortgewaltig und eindringlich, über die Rasanz unserer Zeit spricht. Und darüber, was uns verloren geht, wenn wir der Beschleunigung nichts entgegensetzen. Filmregisseur Marc Bauder hat sich von Willemsens Appell inspirieren lassen, und ihn ins filmische Übersetzt.
Randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung ...
Den Titel "Wer wir waren" hat Bauder übernommen. In seinem Kinofilm, der auch Zitate aus dem gleichnamigen Buch enthält, kommen sechs Denkerinnen und Denker zu Wort, die aus unterschiedlichen Perspektiven und Expertisen über den Zustand unseres Planeten sprechen.
"Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Informationen, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erfahrung." (Roger Willemsen, "Wer wir waren")
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst beobachtete die Erde aus dem Weltall; die 85-jährige Ozeanologin Sylvia Earl hingegen, entdeckte die Geheimnisse der Tiefsee. Ihr Appell klar: Nur gemeinsam ist dieser Planet zu retten, wir sind Teil einer Kolonie von Lebewesen, die nur als Ganzes besteht. Der Film zeigt deutlich, dass nur wir, die wir maßgeblich zur Zerstörung der Natur beigetragen haben, die kommenden Katastrophen anwenden können. Der Mensch ist Heil und Unheil zugleich.
Der senegalesische Ökonom und Philosoph Felwine Sarr macht auf ein frappierendes Ungleichgewicht aufmerksam: Afrika trägt am wenigstens zum Klimawandel bei, ist von den mit diesem einhergehenden Veränderungen aber stärker betroffen, als jeder andere Kontinent. Die jüngste Stimme im Kreis ist die der 36-jährigen Philosophin Janina Loh, die uns einen verseuchten Strand bei Fukushima vor Augen führt.
Der österreichische Ökonom Dennis Snower appelliert für eine Global Solutions Initiative, für eine Weltwirtschaft also, die nachhaltig gestaltet, produziert und distribuiert. Der französische Molekularbiologe Matthieu Ricard wiederum, lebt seit Jahrzehnten als buddhistischer Mönch in einem nepalesischen Kloster. Er kritisiert das Konzept der westlichen Freiheit, welches auf Individualismus und Selbstentfaltung gründet, und uns so zu Sklaven unserer Wünsche macht.
"Unser Kapitulieren war auch ein Mit-der-Zeit-Gehen"
Regisseur Bauder hatte die Filmidee, eigenen Angaben zufolge, bereits bevor er von Willemsens Buch wusste. Dieses gab ihm dann allerdings die gesuchte Basis. Immer wieder hören wir einzelne Buchpassagen aus dem Off erklingen. Am Ende tut der zweistündige Film genau das, was Willemsen im Verschwinden begriffen sah: Er lässt sich Zeit, wirkt stellenweise wunderbar langatmig, mit Streicher- und Oboenklängen unterlegt zwischen Meeresgrund und Weltall.
Roger Willemsens Zukunftsrede stellte noch einmal heraus, dass einer unserer größten Fehler darin bestand, einfach mitzumachen: "Unser Kapitulieren war auch ein Mit-der-Zeit-gehen" heißt es an einer Stelle, die auch im Film zitiert wird. Ein erster wichtiger Schritt wäre es demnach, Angebot auszuschlagen. Bauders Film unterstreicht diese Haltung vor allem noch einmal mit der Position des Molekularbiologen Matthieu Ricard, der deutlich macht: "Rasanz" bedeutet heute vor allem, sich selbst entfalten zu wollen, Überindividualismus und Selbstbeweihräucherung. Sollte uns dieser Planet aber am Herzen liegen, wäre es nicht nur sinnvoll sondern notwendig, kollektiver zu denken und zu handeln.
Topnews
Ein Geburtstagskind im März: Christa Wolf
Bertolt Brecht – Geburtstagskind im Februar: Ein literarisches Monument, das bleibt
Wie Banksy die Kunst rettete – Ein überraschender Blick auf die Kunstgeschichte
Ein Geburtstagskind im Januar: Franz Fühmann
Zauberberg 2 von Heinz Strunk
100 Jahre „Der Zauberberg“ - Was Leser heute daraus mitnehmen können
Oschmann: Der Osten: Eine westdeutsche Erfindung“ – Umstrittene russische Übersetzung
Überraschung: Autorin Han Kang hat den Literaturnobelpreis 2024 gewonnen
PEN Berlin: Große Gesprächsreihe vor den Landtagswahlen im Osten
„Freiheitsschock“ von Ilko-Sascha Kowalczuk
Precht: Das Jahrhundert der Toleranz
Jenny Erpenbeck gewinnt Internationalen Booker-Preis 2024
Karl Ove Knausgård: Das dritte Königreich
Romanverfilmung "Sonne und Beton" knackt Besuchermillionen
Asterix - Im Reich der Mitte
Rassismus in Schullektüre: Ulmer Lehrerin schmeißt hin
14 Nominierungen für die Literaturverfilmung "Im Westen nichts Neues"
"Die Chemie des Todes" - Simon Becketts Bestsellerreihe startet bei Paramount+
Michel Houellebecq und die "Aufstachelung zum Hass"
„Mit der Faust in die Welt schlagen“: Literaturverfilmung feiert Weltpremiere bei der Berlinale 2025
Theaterstück "Die Ermittlung" von Peter Weiss kommt ins Kino
Kerstin Giers Bestseller-Reihe "Silber" wird verfilmt
Doris Dörries "Freibad" startet in den Kinos
"Die Känguru-Chroniken" jetzt auch im Kino? Verdammtes Schweinesystem!
"Zwischen uns die Mauer" - ZDF-Koproduktion verfilmt Katja Hildebrands autobiografischen Roman
„Girl on the Train“ startet Ende Oktober im Kino
Das Pubertier - Dreharbeiten begonnen
Aktuelles

Claudia Dvoracek-Iby: mein Gott
Claudia Dvoracek-Iby

Claudia Dvoracek-Iby: wie seltsam
Claudia Dvoracek-Iby

Marie-Christine Strohbichler: Eine andere Sorte.
Marie-Christine Strohbichler

Der stürmische Frühlingstag von Pawel Markiewicz
Pawel Markiewicz
„Der Gesang der Flusskrebse“ – Delia Owens’ poetisches Debüt über Einsamkeit, Natur und das Recht auf Zugehörigkeit
„Der Duft des Wals“ – Paul Rubans präziser Roman über den langsamen Zerfall einer Ehe inmitten von Tropenhitze und Verwesungsgeruch
„Die Richtige“ von Martin Mosebach: Kunst, Kontrolle und die Macht des Blicks
„Das Band, das uns hält“ – Kent Harufs stilles Meisterwerk über Pflicht, Verzicht und stille Größe
Magie für junge Leser– Die 27. Erfurter Kinderbuchtage stehen vor der Tür
„Die Möglichkeit von Glück“ – Anne Rabes kraftvolles Debüt über Schweigen, Schuld und Aufbruch
Für Polina – Takis Würgers melancholische Rückkehr zu den Ursprüngen
„Nightfall“ von Penelope Douglas – Wenn Dunkelheit Verlangen weckt
„Bound by Flames“ von Liane Mars – Wenn Magie auf Leidenschaft trifft
„Letztes Kapitel: Mord“ von Maxime Girardeau – Ein raffinierter Thriller mit literarischer Note
Drachen, Drama, Desaster: Denis Scheck rechnet mit den Bestsellern ab
Benedict Pappelbaum
Rezensionen
Good Girl von Aria Aber – eine Geschichte aus dem Off der Gesellschaft
„Größtenteils heldenhaft“ von Anna Burns – Wenn Geschichte leise Helden findet
Ein grünes Licht im Rückspiegel – „Der große Gatsby“ 100 Jahre später
"Neanderthal" von Jens Lubbadeh – Zwischen Wissenschaft, Spannung und ethischen Abgründen
