Blut, Mord, Hollywoodfolklore: Kino in Buchform

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Mord, Blut, Hollywoodfolklore: Star-Regisseur Quentin Tarantino hat mit "Es war einmal in Hollywood" seinen ersten Roman geschrieben. Vorlage für diese Adaption war sein eigener, gleichnamiger Film. Bild: Kiepenheuer & Witsch

Quentin Tarantinos erster Roman ist eine Adaptation seines eigenen Filmes "Es war einmal in Hollywood". Den Titel hat der Star-Regisseur übernommen, die Story um einige Details erweitert, stellenweise gekürzt. Mord, Blut, Machos - Ein irgendwie nostalgischer Blick auf die Filmindustrie der Sechziger Jahre.

Man stelle sich eine Zeit vor, in der es nicht für jedermann ohne weiteres möglich war, Kinostreifen im eigenen Heim nachzuschauen; eine Zeit, in der an Videorekorder und DVD-Player, und erst recht nicht an Amazone-Prime, Netflix und sonstige Anbieter zu denken war. Wollte man sich zu dieser Zeit das Kino, wie es heute oft heiß, ins Wohnzimmer zu holen, hatte man nur eine Möglichkeit: Man kaufte sich Romanadaptionen, Romanfassungen des Filmes. Zu Recht blicken viele Cineasten heute mit Nostalgie auf diese Zeit zurück, in der das Kino Kino, das Wohnzimmer Wohnzimmer, und der Film schließlich ein Ereignis war. Einer dieser Cineasten ist der Star-Regisseur Quentin Tarantino, der mit Streifen wie "Pulp Fiction", "Kill Bill" oder Django Unchained" berühmt geworden ist. Mit seinem Roman "Es war einmal in Hollywood" hat Tarantino das Format der "Novelization", so der englische Begriff der Romanadaption, noch einmal ins Leben gerufen. Die Vorlage dafür lieferte gleich sein eigener Film "Es war einmal in Hollywood", in dessen Titel jene Nostalgie der guten alten Kinotage nachklingt.

Sinnieren in Hollywood

Im Hollywood der 1969er Jahre treffen wir auf den Schauspieler Rick Dalton, dessen Karriere gerade zu bröckeln beginnt. An seiner Seite taucht sein Stuntman Cliff Booth auf, der mittlerweile nur noch als Ricks Chauffeur arbeitet rundem nachgesagt wird, er habe mehrere Menschen getötet. Was im Film unaufgelöst bleibt, wird im Roman breiter auserzählt. Es gibt da eine Szene, in der Cliff einem gewissen Buster das Genick bricht, ihn tötet, und neben seiner Leiche Fernsehen schaut. Einige Stunden lang.

Generell haben wir es immer wieder mit Personen zu tun, die uns eine Vielzahl an Details liefern, seitenlang über ihre Begegnungen und Erfahrungen im Showbusiness sinnieren, um anschließend wieder verschwinden. Man merkt hier deutlich, dass Tarantino ein immensen Verlangen danach hat, aus seiner 30-jährigen Film-Erfahrung zu schöpfen. Die Geschichten sind da, man braucht eben nur die Figuren, die sie denken oder erzählen können. Und nachdem sie ihren Soll erfüllt haben, werden sie fallen gelassen und verschwinden am Rand der Geschichte um Rick und Cliff.

Eben dieses Auserzählen eines Stoffes lag Tarantino von Beginn an am Herzen. Nicht einen bereits vorhandenen Stoff in Spielfilmlänge zwängen, sondern die entgegengesetzte Richtung gehen, üppig und verschwenderisch. In einem Podcast sagte er, es wäre seine Absicht gewesen, "die unhandliche Version des Films" zu schaffen. Das ist ihm gelungen.

Die Manson Family etwas abgeschwächt

Auch die Hauptfiguren bekommen im Roman mehr Geschichte nachgeliefert. Das gilt besonders für Cliff, der wortkarg und scheintief neben dem ehemaligen Westernfilm-Star Rick durch die Sphären des Filmgeschäfts streift. Natürlich schweben einem - insofern man den Film bereits geschehen hat - ständig die Gesichter von Pratt Pitt und Leonardo DiCaprio vor Augen, was das Ausschmücken der Figuren nicht unbedingt einfacher, aber absolut notwendig macht. Am überzeugendsten sind die verschiedenen Charaktere dann, wenn sie in Dialoge treten. Das ist wenig verwunderlich, denn hier kann Tarantino am ehesten auf seine jahrelange Erfahrungen als Drehbuchautor zurückgreifen.

Was im Roman allerdings eine weitaus kleinere Rolle spielt, ist die Geschichte um die Manson Family und den Mord an Roman Polanskis Frau Sharon Tate. Im Film lieferte dieses Motiv wunderbare Szenen, im Buch plätschert die Manson-Geschichte beiläufig dahin.

Abkehr vom Film?

Schlussendlich liefert Quentin Tarantino mit "Es war einmal in Hollywood" ein unterhaltsames, aber kurzweiliges Buch, welches interessante Einblicke in die Filmindustrie der Sechziger Jahre liefert. Die Figuren selbst wirken im Schatten ihrer Schauspieler etwas blass; wobei man sagen muss, dass es wohl eine beinahe unlösbare Aufgabe wäre, sie im Buch kongenial erscheinen zu lassen.

Das großartigste an Tarantinos Buch ist die Tatsache, dass man sofort den Eidruck bekommt, seine Grundmotivation, die enorme Leidenschaft fürs Kino auf jeder Seite mitzulesen. Nein, aus diesem großen Regisseur wird kein großer Romancier werden, das scheint im 21. Jahrhundert, in dem nicht zuletzt der Film an flirrender Geschwindigkeit aufgenommen hat, kaum denkbar. Dass Tarantinos nächster Film zugleich sein letzter sein soll, bevor er sich, nach eigener Aussage, voll und ganz dem Bücher-Schreiben widmen möchte, zeigt jedoch an, das dieser Regisseur sehr wohl um die Kraft der unterschiedlichen Medien weiß. Denn der mediale Überschuss, die schwirrenden Informationsfluten, die immer aggressiver werdende Werbung, die BILD-Blut-Terror-Videos etc, etc, greifen vor allem jene Filmlandschaft an, in der sich Quentin Tarantino zuhause fühlt. Blut, Mord, Hollywoodfolklore, das alles ist längst auf sämtlichen Plattform trauriger Alltag.


Quentin Tarantino: "Es war einmal in Hollywood"; Kiepenheuer & Witsch, 2021, 410 Seiten, 25 Euro

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