Dominik Graf hat Erich Kästners 1931 erschienenen Roman "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" neu verfilmt. Er zeigt uns das Ende der Goldenden Zwanziger Jahre in Berlin, das Erstarken der Nazis sowie die Macht und Ohnmacht der Liebe. Ein Film von erschreckender Aktualität, hervorgegangen aus Büchern, die 1933 ins Feuer geworfen wurden.
1931 erschien Erich Kästners Großstadtroman "Fabian. Die Geschichte eines Moralisten". Erzählt wird darin die Geschichte des Werbetexters Dr. phil. Jakob Fabian, der sich allabendlich in das Berliner Nachleben stürzt. Bordelle, Unterweltkneipen und Künstlerateliers sind die immer wiederkehrenden Schauplätze dieses Romans, an denen sich der zunächst zynische "zarte Ironiker" Fabian mit seinem Studienfreund Labude die Nächte um die Ohren schlägt.
Im Qualm der Lokale schwebt stets auch die Frage nach den eigenen Idealen. Doch brodelt bereits der Umbruch, der Untergang der Weimarer Republik und damit das Ende der noch jungen Demokratie. Im Atelier einer Bildhauerin lernt Fabian die Juristin Cornelia kennen, in die er sich augenblicklich verliebt. Mit der neuen Bekanntschaft ändert sich auch Fabians bisher passive und pessimistische Grundhaltung, im Bann des Verliebt-Seins beginnt er politisch aufzubegehren. Der gesellschaftlichen Umbruch jedoch, und noch stärker die kommenden Zeiten, bieten kaum Platz für die junge Liebe.
Eigentlich hatte Kästner einen anderen Titel für seinen Roman vorgesehen: "Der Gang vor die Hunde". Doch der Verleger lehnte das Manuskript in seiner ursprünglichen Form samt Titel ab. Zu rigoros beschrieb Kästner in dieser (mittlerweile erhältlichen) Urform seines Romans den Untergang der Weimarer Republik. Der Text wurde an einigen Stellen entschärft, der Titel in "Fabian: Die Geschichte eines Moralisten" umgeändert. Für seine 3-Stunden-Verfilmung hat der Regisseur Dominik Graf die beiden Titel nun zusammengezogen.
"Fabian oder der Gang vor die Hunde"
Wir befinden uns im Jahre 1931. Fabian, gespielt von Tom Schilling, durchstreift mit seinem Freund Labude (Albrecht Schuch) die Berliner Nachtclubs. Gemeinsam tanzen sie auf dem Vulkan, der am Ende des Film ausgebrochen sein wird. Labude glaubt an die Moral, schreibt seine Habilitation über Lessing, verteidigt die humanistische Idee der Aufklärung. Doch das Land brodelt. Gleich zu Beginn des Films erkennen wir Hakenkreuz-Plakate an den Wänden, eine Symbolik, die den unmittelbar bevorstehenden Sturz ankündigt und Fabian an einer Stelle fragen lässt, ob "die Welt überhaupt Talent zur Anständigkeit" hat. Zunächst tritt uns der 32-jährige Werbetexter als pessimistischer Zweifler entgegen, später wird er die Gründe zum moralistischen Kampf in seiner Liebe zu Cornelia finden. Es wird zu spät sein. Die Bücher werden brennen.
Als künstlerischer Flaneur ist uns Tom Schilling bereits aus Filmen wie "Oh Boy" oder "Werk ohne Autor" bekannt. Und was damals währte, währt auch heut. Gerade im Zusammenspiel mit Albrecht Schuch wird die Atmosphäre dieser melancholisch-revolutionären Umbruchszeit wunderbar transportiert. Hinzu kommen die dem Kästner-Roman entnommenen Dialoge. Als filmisches Äquivalent zum altmodischen Ton werden pointiert Dokumentaraufnahmen der 30er Jahre eingestreut.
Parallelen zur heutigen Zeit
Selbstverständlich weiß Regisseur Dominik Graf um die Aktualität des Fabian-Romans. Umso angenehmer ist es, dass er uns diese Aktualität nicht aufgedrückt. Aus dem Stoff selbst heraus entstehen die Parallelen zur heutigen Zeit. Das Aufkommen demokratiefeindlichen Strömungen; das unablässige Feiern auf dem Vulkan, die bis zur Selbstsucht ausartende Identitätssuche in allen Lagern. Gerade diese Suche steht hierbei schließlich im Mittelpunkt. "Fabian oder der Gang vor die Hunde" zeigt, wie die kollektive Suche nach einer gefestigte Identität in einem Totalitarismus enden kann, der Einzelschicksale ausblendet. Vor diesem Hintergrund lässt er uns Fragen: Wo stehen wir heut?
Fabian oder der Gang vor die Hunde; nach dem Roman "Fabian. Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner/ Geplanter Kinostart in Deutschland: 5. August 2021