Jugend-Thriller "Zartbittertod" von Elisabeth Herrmann Ein Schokoladen-Nashorn aus Kolonialzeiten

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In dem Jugendthriller von Bestseller-Autorin Elisabeth Herrmann geht es um finstere Geheimnisse aus der deutschen Kolonialgeschichte zur Zeit des Völkermordes an den Herero. In dem Jugendthriller von Bestseller-Autorin Elisabeth Herrmann geht es um finstere Geheimnisse aus der deutschen Kolonialgeschichte zur Zeit des Völkermordes an den Herero. Ein böses Geheimnis aus der Kolonialzeit versucht ein skrupelloser Mörder unbedingt zu bewahren. Foto: Claudia Diana Gerlach

Ein lebensgroßes Schokoladennashorn auf einem alten Familienfoto fasziniert die 19jährige Mia seit jeher. In dem Jugendroman „Zartbittertod“ von Elisabeth Herrmann führen die Nachforschungen der jungen Frau zu diesem Bild mitten in die deutsche Kolonialzeit im heutigen Namibia, als ihr Urgroßvater der Sohn eines Deutschen und einer Herero – zur Zeit des Völkermordes als Pfandsklave eines Schokoladenfabrikanten nach Deutschland kam. Als Mia Kontakt mit den Nachfahren dieses Fabrikbesitzers aufnimmt, um mehr über ihre eigene Vergangenheit zu erfahren, stößt sie auf alte Geheimnisse, die einen skrupellosen Mörder aktiv werden lassen...

Die junge Mia Arnholt lebt mit ihrer Familie in Meißen, wo ihre Eltern eine kleine Schokoladenboutique betreiben, in der alle Spezialitäten des Hauses noch mit viel Liebe und Sorgfalt per Hand gefertigt werden. Mia liebt es, eigene Pralinen zu kreieren, doch der Familienrat hat beschlossen, dass ihr älterer Bruder später das Geschäft übernehmen soll.

Recherche für die Journalistenschule

Daher hat sich Mia dafür entschieden, Redakteurin zu werden. Für die Aufnahmeprüfung an einer Journalistenschule soll sie eine Recherche zu einem Familienfoto durchführen und darüber berichten. Ihre Wahl fällt natürlich auf ihr Lieblingsbild, das in der Chocolaterie hängt, und auf dem zwei Männer, einer mit weißer und einer mit schwarzer Hautfarbe, stolz ein Schoko-Nashorn in Echtgröße präsentieren. Der junge Mann mit der dunklen Hautfarbe ist Mias Urgroßvater Jakob Arnholt, der die Manufaktur in Meißen gegründet hat. Der andere ist Gottlob Herder, ein berühmter Schokoladen-Großfabrikant aus Lüneburg. Bei Mias ersten Fragen nach ihrem Urgroßvater fällt den Eltern ein alter Koffer mit Erinnerungsstücken ein, der auf dem Dachboden lagert. Die Familie findet in der antiken Ledertasche ein Schmuckstück aus altersbrüchigem Material, das mit bunten Perlen und kleinen Steinen geschmückt ist, sowie einige handgeschriebene Briefe in einer Schrift, die keiner entziffern kann.

Ein tödliches Unglück

Kurzentschlossen nimmt Mia Kontakt zu den reichen Nachfahren von Gottlob Herder in Lüneburg auf und lernt am Telefon einen alten Mann kennen, der über ihren Anruf hocherfreut ist und sie um einen Besuch in der Familienvilla bittet, da er ihr einige wichtige Geschichten anvertrauen möchte. Doch als Mia am nächsten Morgen das Anwesen der Herders betritt, wird der alte Herr gerade in einem Sarg aus dem Haus getragen, da er nachts tödlich gestürzt ist. Die Herder-Familie lauscht Mias mit Befremden, doch immerhin bieten sie ihr eine Übernachtungsmöglichkeit im Gästehaus an. Dort trifft Mia auf eine Delegation aus Namibia, die den Austausch mit den Herders zwecks wirtschaftlicher Verbindungen sucht. Durch Zufall findet Mia heraus, dass sie mit einer jungen Herero-Frau verwandt ist, die dieser Gruppe angehört. Diese ist die Nachfahrin einer kleinen Schwester von Mias Urgroßvater, die die Mutter zu Zeiten des Völkermords schützte, indem sie sie als Baby in ein christliches Waisenhaus gab.

Das Geheimnis eines Soldaten

Mia sucht einen Historiker auf, der die Briefe ihres Großvaters übersetzen soll und macht sich gemeinsam mit dem Sohn der Herders, der in ihrem Alter ist, in der alten Villa auf die Suche nach Überbleibseln aus der Kolonialzeit. Doch als Mia den beauftragten Geschichtsforscher am nächsten Morgen ermordet auffindet und feststellen muss, dass die ihm anvertrauten Briefe verschwunden sind, beginnt sie zu ahnen, dass sie einem furchtbaren Familiengeheimnis auf der Spur ist, das keineswegs vergeben und vergessen ist. Und der heimtückische Mörder hat inzwischen längst ein neues Ziel: Mia selbst gerät in Lebensgefahr und versucht verzweifelt – gemeinsam mit dem Herder-Sohn – eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen und das herauszufinden, was der Mörder um jeden Preis im Verborgenen halten möchte. Der Schlüssel zu den heutigen Morden scheint in der Vergangenheit des Fabrikgründers Gottlob Herder im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika zu liegen, der damals als Soldat daran beteiligt war, den Aufstand der Hereros niederzuschlagen und die Überlebenden dieses Bantu-Volkes in die Wüste zu treiben...

Tagebucheinträge aus der Kolonialzeit

Ein unheimlich spannender Jugendthriller zu einem Thema, das gerade wieder in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit gerückt ist. Elisabeth Herrmann führt die jungen Leser*innen behutsam an dieses grausame Thema der deutschen Kolonialgeschichte heran, indem sie sie gemeinsam mit der Protagonistin Mia eine Gedanken-Reise in die Geschichte Namibias erleben lässt, wobei peu à peu verstörende Wahrheiten und die Lebenslügen eines ehemaligen Soldaten aufgedeckt werden.

Die Brisanz dieser Völkermord-Thematik und der damit verbundenen jahrzehntelangen Vertuschungsbemühungen bis hinein indie heutige Zeit wird durch das gewählte Thriller-Format eindrucksvoll herausgearbeitet. Im Roman werden furchtbare Ereignisse erwähnt und angedeutet, wobei die Autorin mithilfe eines Perspektivwechsels durch alte Briefe und Tagebucheinträge aus der Kolonialzeit die Akteure aus der Vergangenheit selbst zu Wort kommen lässt. Für diese historischen Darstellungen hat Elisabeth Herrmann bewusst die Sprache der damaligen Zeit gewählt, die mit Begriffen wie Bambuse und Hottentotten sehr verstörend wirkt. Wie erfreulich, dass es den Prozess des Sprachwandels gibt!

Der Beginn nationalsozialistischer Gedanken

Zum Nachdenken regen die Gespräche der jungen Deutschen und Namibier an, in denen von zwei Seiten aus über das damalige Geschehen gesprochen wird – wobei die Protagonistin Mia durch Nichtwissen glänzt, da diese Ereignisse nicht zum Unterrichtsstoff gehören. Elisabeth Herrmann lässt auch geschickt eingebettet die Frage nach dem Beginn von nationalsozialistischem Gedankengut auftauchen.

Fazit: Ein spannender Jugendroman, der aktuelle Nachrichten, Zeitgeschichte, Thriller, Liebesgeschichte, Coming-of-Age-Story und viel Wissenswertes zum Thema Schokolade zu einem dieser seltenen Bücher verbindet, die man erst aus der Hand legen kann, wenn die letzte Seite gelesen ist. Gefahrenmeldung: Diese Geschichte bekommen Sie nie wieder aus Ihrem Kopf!

Die Autorin

Die 1959 in Marburg an der Lahn geborene Elisabeth Herrmann arbeitete nach ihrem Fernsehjournalistik-Studium beim RBB. Ihr Durchbruch als Autorin gelang ihr mit dem Roman „Das Kindermädchen“. Die meisten ihrer Bücher wurden bzw. werden gerade verfilmt. Die Schriftstellerin, die mit ihrer Tochter im Spreewald und in Berlin lebt, erhielt für ihr Werk bereits viele Auszeichnungen, wie etwa den Deutschen Krimipreis.

Elisabeth Herrmann: Zartbittertod, erschienen 2020 im cbt Verlag, empfohlen für Jugendliche ab 14 Jahren, 480 Seiten, 10,00 Euro (Taschenbuch)

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