James Baldwins 1962 erschienener Roman "Another Country" zeigt, wie eine rassistische Gesellschaft Menschen systematisch in den Tod treibt. Im Falle dieser Geschichte ist es der schwarze Jazzmusiker Rufus, der sich eines Tages in den Hudson River stürzt. Die bewegende Geschichte ist nun neu übersetzt als Hörbuch erschienen.
Als "Another Country" 1962 erschien, spaltete der Roman das Publikum. Die New Your Times war gerührt und begeistert, sprach von einer traurigen, brillant und leidenschaftlich erzählten Geschichte. Anderswo organisierte sich vermehrt Widerstand. Das Buch, so hieß es, verstoße gegen die "guten Sitten". Jetzt wurde "Another Country" von Miriam Mandelkow neu übersetzt, und in großartiger Weise von Christian Brückner eingelesen. Das 18-stündige Hörbuch macht die Enttäuschung, die Wut und die Ausweglosigkeit, die in rassistischen Gesellschaften heraufbeschworen werden, spürbar.
"Er ließ den Kopf sinken, als hätte ihn jemand geschlagen, und blickte ins Wasser. Es war kalt. Und das Wasser war kalt. Er war schwarz. Und das Wasser war schwarz.“
Eine rassistische Gesellschaft
Der begnadete Jazzmusiker Rufus Scott nimmt sich im New York der späten 1950er Jahre das Leben, indem er von der George-Washington-Brücke in den Hudson River springt. Zurück bleiben seine Schwester Ida, die Freunde und die Fragen. Hätte man Rufus Suizid verhindern können? Hat seine Liaison mit der weißen Leona zu seinem schrecklichen Entschluss geführt? Auf der Suche nach Antworten stoßen sie auf furchtbare Wahrheiten, erkennen, wie sehr sie sich all die Jahre selbst verleugnet haben, um ihre Träume wahr werden zu lassen. Baldwin zeigt, dass Liebe und Hass durchaus auch Erkenntniswerkzeuge sein können, mittels denen es möglich wird, tief verwurzelte, gesellschaftliche Probleme freizulegen.
Doch muss zunächst die innere Wut entdeckt und angenommen werden. Die Suche danach zeichnet "Ein anderes Land" anhand der Suche nach den auslösenden Momenten für Rufus Sprung ins Wasser nach. In parabolischen Szenen zeigt Baldwin, wie schwer es für partiell Ausgegrenzte ist, der Selbstgeißelung zu entkommen. So spielt dieser Roman also auch auf einer psychologischen Ebene, zeigte die Schizophrenie und Brüchigkeit der US-amerikanischen Gesellschaft Ende der 50er Jahre. Lesen (oder hören) wir Baldwin heute wieder, so muss uns dieses Buch - gerade in Zeiten weltweiter Gerechtigkeitsbewegungen - umso erschreckender erscheinen.
Beeindruckend gelesen von Christian Brückner
Christian Brückner versteht es, diesen stellenweise heftigen Text rhythmisch in ein Verhältnis zu setzen, welches weder Wort noch Sprache dominierend wirken. Die ohnehin stark aufgeladenen, oft erschütternden Szenen des Buches liest er mit zurückhaltender Ruhe.
James Baldwin: „Ein anderes Land“
Aus dem amerikanischen Englisch von Miriam Mandelkow.
Ungekürzte Lesung von Christian Brückner
Parlando Verlag, Berlin 2021
17:56 Stunden, 29,95 Euro (UVP)