Heut wird die Schriftstellerin Monika Maron achtzig Jahre alt. Für viele ist sie die bedeutendste DDR-Autorin neben Christa Wolf; eine nicht selten unbequeme literarische Stimme, die aneckt und widerspricht. Zuletzt hatte sich der S. Fischer Verlag nach langjähriger Zusammenarbeit aufgrund politischer Differenzen von der Autorin getrennt. Zum 80. Geburtstag erscheint nun der Essayband "Was ist eigentlich los?" bei Hoffmann und Campe. Darin versammelt sind Essays aus vier Jahrzehnten.
Monika Marons Debütroman "Flugasche" erschien 1981 in einem westdeutschen Verlag (S. Fischer) und war wohl das erste "Umweltbuch" der DDR. Maron greift in diesem Roman auf die Erfahrungen zurück, die sie selbst im Zuge ihrer Arbeit als Industriereporterin machte: Schmutz, Dreck, Abgase. Bitterfeld ("B"), heißt es an einer Stelle, sei die "schmutzigste Stadt Europas". Eine ähnlich drängende Abneigung gegen marode Einfältigkeit in sämtlichen Bereichen, ist auch aus ihren brillanten Essays immer wieder herauszulesen. Zum 80. Geburtstag der Autorin erscheint nun der Essay-Band "Was ist eigentlich los?", der vier Jahrzehnte eines literarischen Aufstands abbildet. Marons Bemühen um Aufrichtigkeit, um Emanzipation, der Kampf um die Bildung eines politischen wie auch schreibenden Ich´s sind darin nachzuempfinden. Vor allem aber zeigt der Band die Entwicklung einer Schriftstellerin, die niemals vor unbequemen politischen Äußerungen und Ansichten zurückschreckte.
Zunächst lesen wir Maron frühe Essays. Scharfzüngig, entschlossen und mit analytischem Blick schoss sie bereits kurz nach der Wiedervereinigung heftig gegen ihre "ostdeutschen Mistmenschen". Von "Duckmäuserei und ihrem feigen Ordnungssinn ... " ist da die Rede. In einem mit dem Titel "Zonophobie" überschriebenen wunderbaren Essay beklagt sie sowohl das Selbstmitleid der Ostdeutschen, wie auch das häppchenweise über die Grenze getragene Mitleid der westdeutschen Linken, hinter dem sich, so sah es Maron wohl, immer auch ein Mehr-Genießen, ein demokratisches Triumphieren, ein leises Belächeln versteckte.
Politisch unkorrekt?
In der zweiten Hälfte des Bandes ändert sich der Ton, wie sich eben auch der öffentliche Umgang mit kritischen Stimmen änderte. Maron´s Lust zur heftigen Auseinandersetzung, zum aufgeheizten Diskurs stieß immer stärker auf eine sich mehr und mehr nach Harmonie sehnenden Öffentlichkeit. 2020 gipfelte dieses Aufeinandertreffen dann in einem Krach zwischen Maron und ihrem Hausverlag S. Fischer, dessen Ergebnis die Trennung war. Die Gründe hierfür variieren je nach Partei. Die Schriftstellerin ist überzeugt, dass es ihre Kritik an den Islam, an die Flüchtlingspolitik Angela Merkels, an Windenergie und geänderter Sprache war, die letztlich zum Disput führte.
Die Reflexionen über diese Beweggründe machen einen großen Teil der zweiten Hälfte der in "Was ist eigentlich los" versammelten Essays aus. Der S. Fischer Verlag hingegen, nennt einen Essayband als Grund, den Maron mit dem Buchhaus Loschwitz herausgebracht hatte. Dabei handelt es sich um eine Dresdner Buchhandlung mit Eigenverlag, die enge Kontakte zum rechtspopulistischen Antaios Verlag rund um den Politikaktivisten Götz Kubitschek pflegt.
Noch immer streitbar
In der Tat stemmt sich Maron zweifelsohne gegen das, was aus der Perspektive einer mainstreamlinken Position gesellschaftlich längst umgesetzt gehört. Eine Umstrukturierung der Sprache, eine scharfe Kritik an ein veraltetes Männerbild, eine sich ins globale ziehende Willkommenskultur. Maron blickt skeptisch auf diese Entwicklungen, blickt skeptisch auf die mediale Berichterstattung, der sie Deutungshoheit attestiert und die sich inhaltlich kaum mehr von einem Plenumsgespräch unterscheidet: "Ich dachte immer, ich sei liberal, aber im Fernsehen und in der Zeitung sagen sie, ich sei rechts", schreibt sie, noch immer scharfzüngig und kritisch.
Man muss Monika Maron´s politische Ansichten nicht teilen, muss ihre Schriften nicht durchweg loben, von ihrer Widerstands-Lust nicht fasziniert sein. Und doch muss man diese Schriftstellerin als eine der größten im deutschsprachigen Bereich ernst nehmen, sie als streitbare, diskursive Persönlichkeit achten. Wenn man gewillt ist, sich zu fragen: "Was ist eigentlich los?", dann sollte man es mit Monika Maron tun, insofern man in der Lage ist, Gelesenes und Gemeintes ausreichend zu reflektieren.
Monika Maron, "Was ist eigentlich los?"; Hoffman und Campe, 2021, 192 Seiten, 22 Euro