In seinem kürzlich bei Rowohlt erschienen Buch "Rettet die Demokratie" benennt der Kommunalpolitiker Dirk Neubauer Probleme, die unter anderem auch der Grund dafür sind, dass die CDU in Sachsen Anhalt kurz vor der anstehenden Landtagswahl so sehr zittert. Neubauer, der Bürgermeister der sächsischen Stadt Augustusburg ist, hält eine Neuverteilung der politischen Ebenen für dringend notwendig. Er plädiert für mehr BürgerInnen-Nähe und die Stärkung von Kommunen.
Die Demokratie, so vermittelt es Dirk Neubauers aktuelle Streitschrift, liegt im Sterben. Die Politik hat sich immer weiter von ihren Aufgabenbereichen entfernt, die Kluft zwischen "die da oben" und "die da unten" klafft zunehmend auseinander, das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger ist vollkommen aus dem Blick geraten. Der Plan der gegenwärtigen Politik, so bringt es Neubauer knapp auf den Punkt, ist es, keinen zu haben.
Mit "Rettet die Demokratie" hat Dirk Neubauer ein Buch geschrieben, welches Probleme benennt, die uns längst geläufig sind: Politiker, die nur Politiker sind, um es zu bleiben; die Entfernung von jenen, die als "die Abgehängten" betitelt werden, ebenso die Entfernung von den Ländern und Kommunen. Neubauer wiederholt. Diese Wiederholung aber, scheint methodisch, ja notwendig. Denn ebenso geläufig wie diese Probleme uns sind, ist uns die Tatsache, dass nichts unternommen wird, um sie aus der Welt zu schaffen. Was dabei heraus kommt, ist gerade jetzt wieder, kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen Anhalt, zu sehen. Die CDU zittert, die AFD darf hoffen.
Unsere Demokratie, in Gefahr?
"Ich sehe mehr und mehr dass immer mehr Menschen sich abwenden. Und das sind nicht nur die, die wir eh nicht erreichen. Die gibt es in jeder Gesellschaft. Die sich nicht interessieren, nicht interessieren wollen. Aber wir verlieren inzwischen auch Leute, die eigentlich wollen," beschreibt Neubauer die scheinbar immer stärker um sich greifende Politikverdrossenheit. Er selbst versucht ständig in Dialog zu treten, mit Menschen vor Ort. Was er in seiner Streitschrift schreibt, ist das Ergebnis seiner Gespräche, seine unmittelbarer Eindruck. Es ist das, was von den Großstädten her vielleicht als Plattitüde bezeichnet, als die "ewige Geschichte der Abgehängten" abgetan wird.
Neubauer erlebt vor Ort, wie Menschen, die tatsächlich Interesse an politischer Gestaltung haben, die mitwirken wollen und Anforderungen stellen, die ihre Vorstellungen präsentieren und ausdiskutieren, wie diese Menschen nach Hause geschickt werden müssen, da man als Kommunalpolitiker nichts für sie tun kann. Entscheidungsträger, so klingt es kritisch wie deutlich aus dieser Streitschrift heraus, ist schlicht und ergreifend Berlin. Über die Kommunen marschiert die große Politik einfach hinweg. "Entscheidungskompetenz", heißt es dann auch im Buch, wird von "der Basis wegdelegiert ..." oder wenig später "Dieser Staat hat ja inzwischen eine Art Antrags- und Widerspruchsverhältnis zu seinen Bürgern und auch zu den Kommunen entwickelt ..."
BürgerInnenräte zur Stärkung der Kommunen
Den Boden eines demokratischen Systems verstärkt man besten dadurch, dass man demokratisch handelt, Demokratie lebt, pathetisch gesagt. Neubauer sieht hier allerdings eine abweichende Tendenz. Politik sei für viele eine reine Karrieremaschine geworden. Dieser doch recht fragwürdigen Entwicklung setzt er nun pro-demokratische Vorschläge und Konzepte entgegen. Beispielsweise könne man BürgerInnenräte bilden, um das Volk stärker an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Solche im Grunde kommunalen Räte könnten dann in wichtigen Fragen, beispielsweise zum Klimawandel, Empfehlungen und Anreize geben.
"Das ist der Anreiz für mich, über ein Modell nachzudenken, wo ich sage: Wie kriege ich mal andere an den Tisch, die sonst sagen: Hat mich noch nie interessiert! Wo man sagt: Aber du musst jetzt mal! Jetzt bist du mal mit dabei! Und das würde uns auch sehr helfen in der Gesellschaft ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie komplex es ist, einen tragfähigen von möglichst vielen getragenen Kompromiss zu erreichen."
Dirk Neubauer schreibt mit "Rettet die Demokratie" eine Art politisches Tagebuch, welches seine Erfahrungen auflistet und mit Änderungsvorschlägen versieht. Den Rechtsruck, das Sympathisieren mit antidemokratischen Parteien führt Neubauer sehr stark auf das Ausbleiben eines Dialogangebotes zwischen Politik und BürgerInnen zurück. Aus der SPD ist er ausgetreten, politisch aktiv will er weiterhin bleiben. Auch über die Gründung einer neuen Partei denkt er nach.
Dirk Neubauer, "Rettet die Demokratie"; Rowohlt Verlag, 2021, 192 Seiten, 10 Euro