Im Gazastreifen sind in den letzten Tagen wieder heftige Kämpfe zwischen Palestinänsern und Israelis entfacht. Die Lage erinnert an die letzten blutigen Auseinandersetzungen im Jahr 2014. Trotz internationaler Appelle ist die Lage wieder eskaliert, begonnen hat sie wie so oft auf dem Tempelberg in Ost-Jerusalem. Hier kam es mehrfach zu gewaltsamen Zusammstößen die mit einer drohenden Zwangsräumung von palästinensischen Familien im Viertel Scheich Dscharrah begonnen haben. Die unrechtmässige Annexion palästinensischer Gebiete durch den Staat Israel wird mittlerweile von vielen Staaten kritisiert. Wir möchten an dieser Stelle an die Tagebücher von Atef Abu Saif aus dem Jahr 2014 erinnern.
Atef Abu Saif erzählt in einundfünfzig Tagebucheinträgen, vom ersten bis zum letzten Tag des Kriegs, seine Erlebnisse während der Kämpfe um den Gazastreifen. Dabei gelingt es ihm, ohne Polemik und Schuldzuweisung von den Tragödien in dieser Zeit zu berichten. Neben Verzweiflung gibt es auch heitere Momente und eine feste Zuversicht der Menschen in diesem Gebiet.
Atef Abu Saif erlebt diese tragischen Tage zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern. Bewegend sind die Erzählungen in denen er seinen Kindern die Situation erklärt, ihnen erklären muss, warum sie nicht mehr auf der Straße spielen können. Die größte Bedrohung sind die Drohnen, wenn sie vor seinem Fenster surren. Er beschreibt, wie er dann mit der Angst kämpft.
Seite 1 seiner Tagebücher beginnt mit den Worten: ”Wenn er kommt, spürst du zunächst seinen Geruch, seine besondere Note. Schon als Kind lernst du, ihn zu erkennen, wenn du in diesen engen Straßen aufwachst. Du entwickelst ein Talent dafür, ihn zu wittern, ihn in der Luft zu schmecken. Du kannst ihn beinahe sehen. Wie ein Hexentier lauert er in jedem Schatten, folgt dir auf dem Fuß bei jedem Schritt. Wer diese Fähigkeit nicht verlernt, kann voraussagen, dass er kommt. Manchmal Stunden, manchmal Tage, bevor er wirklich da ist. Du kannst dich nicht täuschen. Es ist Krieg.“
Die Tagebucheinträge wurden zuerst in vielen Zeitungen der Welt abgedruckt und erschien anschliessend auf Englisch mit dem Titel „The Drone Eats with Me. Diaries from a City under Fire“. Im September 2015 wurde es dann vom Unionsverlag „Frühstück mit der Drohne: Tagebuch aus Gaza“ in deutscher Übersetzung herausgegeben.
Der Autor
Atef Abu Saif ist 1973 in Jabalia im Gazastreifen geboren. Er studierte Englisch an der Universität in Birzeit, Politikwissenschaften in Bradford und promovierte in Soziologie am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. An der Universität von Gaza-Stadt unterrichtet er Politikwissenschaften und Kreatives Schreiben, ist Journalist und Schriftsteller. Sein fünfter Roman A Suspended Life stand 2015 auf der Shortlist für den International Prize for Arab Fiction (»Arab Booker«). Er lebt mit seiner Frau und seinen fünf Kindern im Gazastreifen.
Die Übersetzerin
Marianne Bohn ist 1982 an der Nordsee geboren und dort aufgewachsen. Nach dem Magisterstudium in Leipzig war sie als Dozentin in mehreren arabischen Ländern und als Buchhändlerin in Hamburg tätig. Sie arbeitet im Buchhandel und als Übersetzerin in Berlin.