Als erfolgreicher Thriller-Autor weiß Frank Schätzing, dass die erschreckendsten Momente nicht herbeiphantasiert, sondern lediglich entdeckt und herausgestellt werden müssen. Das Furchtbare nimmt täglich seinen Lauf. Auch in seinem aktuellen Buch, welches den programmatischen Titel "Was, wenn wir einfach die Welt retten?" trägt, folgt Schätzing dieser Maxime. Er schreibt über Klimaschutzpolitik.
Die Klimakrise ist ein Bestsellergarant. Belletristische Werke näheren sich dem Thema nicht erst seit Gestern. Erinnern wir uns etwa nur an T.C. Boyles vor etwa 20 Jahren erschienen Roman "Ein Freund der Erde" oder an die Bücher von Dirk C. Fleck, der als Begründer des deutschen Öko-Thrillers gilt. Egal, ob als fiktionale Dystopie oder als Abbildung der Realität, das Thema Klimawandel brachte über die Jahre hinweg immer wieder poetisch verpackte Handlungsanweisungen auf den Weg. Auch Frank Schätzing hatte das Thema bereits in seinem 2004 erschienen Thriller "Der Schwarm" verarbeitet, in dem Meerestiere plötzlich ein abnormales Verhalten an den Tag legten. Sein aktuelles Buch ist mit dem ominösen Titel "Was, wenn wir einfach die Welt retten?" überschrieben. Dieses mal handelt es sich allerdings um kein belletristisches Werk.
"Let´s do it!"
Wissenschaftlich gespickt waren bereits frühere Werke Schätzings. Dort beschäftigte er sich etwa mit der Künstliche Intelligenz, mit Meeresbiologie oder den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, die die Raumfahrt ermöglichten. Nun widmet er sich der wohl größten Herausforderung der Menschheit, dem Klimawandel. Allerdings kommt Schätzing dabei nicht apokalyptisch daher. "Let's do it and have fun.", heißt es an einer Stelle; denn: "Probleme zu lösen kann nämlich auch Spaß machen."
Bevor man sich aber kopfüber ins Weltenretten hineinstürzt, gilt es zunächst einmal, genauer zu erklären, was das überhaupt ist, Klima. Und so startet Schätzing seinen Exkurs, schreibt über die Klimaforschung, führt über Ozeane und Meere bis in die Atmosphäre; um allmählich aufs menschliche Wirtschaften, auf Kleidung, Plastik und Konsum einzugehen. Und immer stärker wird dabei das störende Summen des eigentlichen Kernproblems: Der niemals so ganz ausgesprochene Wunsch nach stärkerem Wachstum, ein Wunsch, der selbst eine Art Naturgesetzt geworden zu sein scheint. Auch wenn Frank Schätzing mit "Was, wenn wir einfach die Welt retten?" keine wissenschaftlich einwandfreie Arbeit abliefert - bereit der Titel deutet ja an, dass dies nicht sein Anliegen war - so legt er doch ein zuweilen anregendes und stilsicher geschriebenes Buch ab, welches durchaus auch ein Publikum erreichen könnte, welches dem Klima-Thema bislang nicht ganz so nahe stand.
Welch ein Ende wollen wir schreiben?
Bleibt also die alte Frage danach, ob es Fluch oder Segen ist, wenn sich prominente Schauspieler oder eben Autoren urplötzlich als Protagonisten der Welterhaltung in die vordersten Reihen der RetterInnen drängen. Vielleicht steckt in dieser Frage, verfolgt man sie etwas intensiver, der eigentliche "Thrill". Denn auch wenn Schätzings Buch mit Sicherheit ein massentaugliches ist, ist nicht sicher, ob die Masse auch bereit ist, diesem ersten Teil eines Realitäts-Thrillers ein positives Ende zu schreiben. Genauer: Ist der Leser oder die Leserin, der oder die eben noch Schätzings Buch voller Vorfreude aus dem Amazon-Päckchen herausgefischt hat, in Zukunft dazu bereit, mehr Verzicht zu leisten? Und ist diese Umschreibung - "mehr Verzicht" - nicht selbst schon Teil des Problems, der zwanghafte Versuch nämlich, das "mehr", welches uns über die letzten Jahrzehnte so treu begleitete, irgendwie beizubehalten?
Wie sollte die Dringlichkeit, die zweifelsohne mit der Klimathematik einhergehen muss, vermittelt werden? Rigoros und kategorisch, oder doch mit einem "let´s do it", welches letztlich noch immer an einem verschminkten Influencer-Optimismus erinnert? Ja, die Welt zu retten ist kein Scherz. Abenteuerlich? Vielleicht. Aber dieser Aufbruch wird auch Opfer produzieren. Diese Tatsache sollten wir weder verniedlichen noch verheimlichen. Die Welt einfach zu retten ist kein "Unendlicher Spaß".
Frank Schätzing: "Was, wenn wir eindach die Welt retten?"; Kiepenheuer und Witsch, 2021, 336 Seiten, 20 Euro