Mit dem Gewirbel von Schneeflocken, einer geheimnisvollen Zeichnung und einem flauschigen Pinguinküken beginnt dieses urige Kinderbuch um eine fiktive Reise in die eisigen Welten der Antarktis. In dem Roman „ Die Pinguingang - Eine beinahe wahre Geschichte“ landet der Autor Steven Lundström gemeinsam mit der Illustratorin Birgit Christiansen als Figur seines eigenen Romans am Südpol. Ihre Rollen bestehen darin, einer aufgeweckten Clique aus anfangs sechs kleinen Pinguinen als Informanten zur Verfügung zu stehen. Denn die pfiffige Kindergartengruppe der antarktischen Pinguinkolonie macht sich ernste Gedanken über das Zusammenleben von Menschen und Pinguinen in ihrer schönen Eis-Heimat.
Der Autor, der eben noch auf seinen ordentlichen Schreibtisch schaute, befindet sich plötzlich im Dialog mit einem neugierigen Pinguinmädchen namens Lotte. Bei diesem Gespräch prallen die unterschiedlichen Weltbilder bereits auf einer rein sprachlichen Ebene aufeinander: Der Autor überlegt, ob er sich in der Antarktis befindet, während Lotte vom „Großen Weißen Kalten Land“ spricht. Lotte und ihre Pinguin-Kumpel bezeichnen sich als „Wasserflieger“ und die menschliche Spezies als „Waibs“. Das ist eine Abkürzung für den Ausdruck „Wie-auch-immer-Beiner“, den sich der pfiffige Kükentrupp ausgedackt hat, weil ihnen die Funktion der „oberen menschlichen Beine“ nicht so ganz klar ist!
Waibs und Wasserflieger passen nicht zusammen!
Die Pinguingang ist durch eingehende Überlegungen zu der Feststellung gelangt, dass die Waibs und Wasserflieger nicht zusammenpassen, denn die Waibs fischen einfach zu viele Fische und Krebstiere (also das traditionelle Pinguin-Futter) aus dem Meer weg. Zudem hinterlassen die Waibs überall ihren ungenießbaren Verpackungs-Müll. Und das ist nun wirklich kein Ersatz für die leckeren „Glitzerschwimmer“, die Informant Steven als „Fische“ bezeichnet!
Auf der Suche nach Abenteuern und neuen Erkenntnissen- wackelt das besonders mutige Pinguinküken Karlchen nachts heimlich in die nahegelegene Forschungsstation der Menschen. Später erzählt er seinen Kumpels in der Gang aufgeregt von seinen Beobachtungen bei den Waibs, die in merkwürdigen Höhlen mit unterschiedlich großen Öffnungen leben. Um ausgiebig forschen zu können, teilt sich die sechsköpfige Truppe auf: Drei Küken sollen die merkwürdigen Wesen in der Waib-Kolonie genauer beobachten, während die anderen drei die erwachsenen Pinguine nach ihren Erfahrungen mit den Menschen ausfragen.
Die Nesthöhlen der Menschen
Gesagt, getan: Durch die Geschichten der Elterntiere erfahren die Pinguinkinder von Experimenten und Untersuchungen, die die Menschen in der Antarktis durchführen. Ein Pinguin erzählt von seinen Träumen, in denen er als Traumreisender zwei verschiede Gruppen von Waibs bei längst vergangenen Expeditionen zum Südpol begleitet hat. Zeitgleich beobachtet die zweite Pinguinküken-Abteilung die Siedlung der Waibs und untersucht deren „Nester“. Schließlich nehmen die kecken Pinguine ihren ganzen Mut zusammen und nehmen direkten Kontakt mit den Menschen auf. Zwischendurch nutzen sie das Gewirbel der Schneeflocken und besuchen den Autor, um Erklärungen für ihre Forschungen zu bekommen.
Aufbruch ins Unbekannte
Die inzwischen achtköpfige Pinguingang lernt eifrig soviel wie möglich, denn die heranwachsenden Küken, die sich inzwischen mitten in der Mauser befinden, stehen vor einem großen Umbruch: Die Elterntiere der Kolonie sind durch die Aufzucht ihres Nachwuchses an der eigenen Belastungsgrenze angelangt und planen in Kürze ihren gesammelten Aufbruch, bei dem die Jungtiere in der Kolonie zurückgelassen werden. Ganz auf sich allein gestellt und ohne die Anleitung der Elterntiere beginnt für die jungen Pinguine dann der Start ins Erwachsenenleben und ihre eigene erste große Seereise...
Feldforscher Pinguin
Ein wundervolles Kinderbuch, das auf kindgerechte Weise und mit der Hilfe von acht überaus liebenswerten Romanhelden die Probleme in der Antarktis darstellt und erläutert. Dabei simuliert der Autor eine klassische Feldforschungs-Situation, um das Verhalten der Menschheit aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Aus der Sicht der Pinguine kann er den kleinen Lesern die Handlungen der Menschen sowie die daraus resultierenden Probleme einfühlsam und distanziert zugleich aufzeigen.
Das Buch bietet lehrreiche Informationen, spannende Unterhaltung, Humor und witzige Dialoge in einer oft wundervoll wortschöpferischen, poetischen Sprache. Illustriert ist die Geschichte mit vielen originellen Zeichnungen, die sowohl die Pinguingang in ihrer herrlichen Eiswelt zum Leben erweckt als auch den Zauber der zarter Schneeflocken vermittelt, von denen nicht eine aussieht wie die andere.
Kleinod in Buchform
Die Altersempfehlung für dieses Buch gilt für Kinder ab 6 Jahren; in diesem Fall aber als Vorleselektüre, denn für Erstleser sind es doch noch ein paar Seiten zu viel. Da die tragische Scott-Expedition (sehr feinfühlig erklärt!) im Roman erwähnt wird, empfehle ich das Buch eher für Kinder ab 8 Jahren: Dann können die Abenteuer der Gang gleich selbst gelesen werden, und das Wettrennen zum Südpol ist Thema im Schulunterricht.
Fazit: Absolut lesens- und liebenswert! Ein zauberhaftes Kleinod in Buchform!
Der Autor
Der 1973 in Weimar geborene Steven Lundström studierte Altorientalistik und Ägyptologie- Er arbeitet als Wissenschaftler, Museumsführer, Sprachlehrer und Steuerfachangestellter. Seit 2018 lebt er als Schriftsteller und Verwaltungsfachkraft in München. Das Kinderbuch über die ulkige Pinguingang ist seine erste nicht-wissenschaftliche Veröffentlichung.
Die Illustratorin
Birgit Christiansen wurde 1974 in Gießen geboren. Sie studierte Evangelische Theologie, Altorientalistik und Hethitologie und arbeitet als Wissenschaftlerin und Dozentin. Zu Ehren der Pinguingang war sie erstmals als Buchillustratorin tätig.
Steven Lundström, Bilder von Birgit Christiansen: Die Pinguingang – Eine beinahe wahre Geschichte, erschienen 2020 im Böhland & Schremmer Verlag, empfohlen für Kinder von 6 bis 14 Jahren, 184 Seiten, 19,50 Euro (gebundenes Buch)