Zugegeben, ich war skeptisch, als ich das Buch „Mauern“ von Kai Lüdders in den Händen hielt. Was soll ein Roman schon taugen, der in so kurzer Zeit entstanden ist? Wieviel Zeit hatte da der Autor, sich eine vernünftige Story zu überlegen, seine Figuren aufzubauen? Die ersten Seiten wirken in der Tat etwas chaotisch, das Springen zwischen den einzelnen Figuren, die jeder für sich in der Ich-Perspektive berichten, scheint etwas hektisch und unaufgeräumt. Doch nach den ersten Kapiteln baute sich ein Bild auf, das mich fesselte.
Seit Ende 2019 ist das Thema Coronavirus ein ständiger Begleiter. Erstaunlich, wie detailliert Lüdders die Geschehnisse von Anfang an schildert. Angefangen mit dem Ausbruch in Wuhan, die hohen Sterbefälle in Italien bis zum ersten Lockdown, wird alles minutiös wiedergegeben. Ich habe das Buch jetzt bis zur Hälfte gelesen und frage mich, wann es mit der Wirklichkeit auseinandergehen wird, denn irgendwann musste der Autor das Buch in den Druck geben. Der Roman ist im November erschienen, noch vor dem Ausbruch der zweiten Welle in Deutschland.
Im Mittelpunkt des Buches steht Frederick Bauer. Frederick wohnt in Hamburg und hat gerade einen neues Startup gegründet, als ihn die Ereignisse überrollen. Sein Startup dreht sich um eine App über die nachhaltigen Urlaubsreisen vermittelt werden. Frederick ist Risiken gewöhnt, er hat bereits eine Firma in den Sand gesetzt, dieses Mal muss es unbedingt gelingen. Um so verzweifelter reagiert Frederick auf die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Sein Geschäft kommt im März 2020 faktisch zum erliegen, Hilfe scheint nicht in Aussicht zu stehen.
Das interessante an diesem Buch ist, dass es die Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Lüdders will Verständnis für alle Seiten zeigen. Alle Seiten, das sind im wesentlichen zwei. Da ist das Ärzteehepaar, das mit den Folgen von COVID-19 direkt in Berührung steht und null Toleranz gegenüber jeglicher Lockerung er Maßnahmen hat und da sind Menschen wie Fredericks Frau, die die Maßnahmen in Frage stellt. Es führt zu einem Streit, der die einstigen Freunde entzweit. Dieser Streit ist beispielhaft für den Graben den Corona durch unsere Gesellschaft gezogen hat. Auch ich habe Freunde, die sich in Bezug auf Corona sehr merkwürdig verhalten. Da wird die Gefahr des Virus abgestritten und es werden merkwürdige alternative Fakten hervorgeholt. Oft fehlt auch das Verständnis für eine gesellschaftliche Verantwortung, da zählt nur das eigene ich, ganz nach dem Motto, mir wird schon nichts passieren, also warum kümmert es mich.
Der Roman „Mauern“ berührt, ich werde ihn jetzt weiterlesen, mit Spannung.
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