Stephen King befasst sich in seinem neuen Roman nicht mit Übersinnlichem, sondern hat einen hochspannenden Thriller-Plot für "Finderlohn" ausgeheckt. Der Nachfolger zu "Mr. Mercedes" begeistert mit einem ungewöhnlichen Einstieg.
Stephen King ist wieder da: In "Finderlohn" präsentiert er den zweiten Teil der Trilogie um den Privatdetektiv Bill Hodges, der sein Debut in "Mr. Mercedes" hatte. Allerdings startet King diesen Roman aus dieser Sicht ungewöhnlich, da Hodges in den ersten 200 Seiten überhaupt nicht auftritt. Vielmehr beginnt die Geschichte mit dem psychisch auffälligen und unter Alkoholeinfluss bereits straffällig gewordenen Morris Bellamy. Der erweist sich zwar als intelligent, ist aber ein extremer Fan des (fiktiven) amerikanischen Autors John Rothstein. Sein Hauptwerk, die Jimmy-Gold-Trilogie, endete jedoch für ihn als fanatischen Jünger mehr als unbefriedigend: Rothstein hat Jimmy Gold nach zahlreichen Abenteuern Gewicht zulegen lassen und zum Betreiber einer Werbeagentur gemacht. Für Morris Bellamy ist das Verrat. Der Schriftsteller hatte sich nach dem dritten Teil in eine entlegene Cottage zurück gezogen und sich geweigert, weitere Bücher zu veröffentlichen.
Literarischer Schatz mit Hypothek
In finsterster Nacht zieht Bellamy mit Komplizen aus, um bei Rothstein einzubrechen. Die Aktion eskaliert: Bellamy erschießt sein Idol. Die Beute aber ist pikanter Natur: Neben gut 20.000 Dollar in bar finden die Diebe Dutzende von Moleskine-Notizbüchern, in denen John Rothstein den Helden Jimmy Gold wieder zu dem macht, was Morris Bellamy eigentlich wollte: Eine aus der Asche wieder auferstandene Lichtgestalt. Bellamy weiß, dass er auf einem literarischen Schatz im Stellenwert von Harper Lees "Gehe, stelle einen Wächter" sitzt.
Sicherheitshalber bringt Morris Bellamy seine beiden Komplizen auch noch um, und wandert prompt für ein anderes Verbrechen ins Gefängnis. Der Mord an John Rothstein bleibt unaufgeklärt, und nur Morris Bellamy weiß, wo das Geld und die wertvollen Notizbücher versteckt sind.
Bis eines Tages der 13jährige Pete Sanders auf die Truhe stößt. Sanders ist selbst Rothstein-Fan und erkennt, welchen Schatz er gefunden hat. Viel wichtiger ist jedoch, dass sein Vater bei der im Vorgänger "Mr. Mercedes" beschriebenen Amokfahrt schwer verletzt wurde und arbeitsunfähig ist. Die Rechnungen stapeln sich, die Ehe seiner Eltern steckt in der Krise.
Anonymer Geldsegen
Pete entscheidet sich, jeden Monat 500 Dollar anonym an seine Eltern zu schicken. In ihrer Not sind die über den Geldsegen froh und wagen nicht, die Herkunft zu hinterfragen.
Als nach Jahren das Geld aufgebraucht ist, benötigt Pete mehr, um seiner Schwester den Besuch einer Elite-Schule zu ermöglichen. Er entschließt sich, Teile der Notizbücher an einen zwielichtigen Händler zu verkaufen. Der erpresst ihn prompt mit der heißen Ware.
Und was noch viel schlimmer ist: Morris Bellamy wird begnadigt - und ist gefährlicher als je zuvor. Er will seine Beute zurück. Petes Schwester Tina schöpft schließlich Verdacht, als sie eines der Moleskine-Notizbücher sieht. Sie alarmiert Bill Hodges.
Fazit: Stephen King ist einfach ein begnadeter Erzähler . In "Finderlohn", der Fortsetzung zu "Mr. Mercedes", überrascht der Meister des Horrors mit einem meisterhaften Thriller, der Sie nicht mehr los lässt. Übersinnliches gibt es bis auf wenige kleine Szenen nicht, doch gerade das tut Kings Erzählung gut. Nur zu oft ist ihm bei seinen legendären Büchern wie etwa "Es", "Der Nebel" oder "Arena -Under the Dome" keine Lösung eingefallen, um die Quelle oder Motivation des Bösen befriedigend zu erklären. Ganz anders in "Finderlohn": Als klassischer Thriller wirkt der Roman sorgfältig geplant und auch positiv abgeschlossen. Auch wenn Stephen King ohne vollkommen überraschende Wendung abschließt, ist das Ende dennoch nachvollziehbar.
Für wen eignet sich´s? "Finderlohn" ist ein starker Thriller, der zum Beispiel auch für Fans von Harlan Coben funktionieren müsste. Die Handlung ist nicht ganz so überstürzend, die Figuren und Dialoge aber überzeugender. Horror erwartet Sie hier zwar auch, aber nicht im magischen Sinne. Die Axt im Haus erspart das Schreckgespenst.