Die Österreicherin Valerie Fritsch ist mit ihrem Roman „Winters Garten“ eine der Nominierten für den diesjährigen Deutschen Buchpreis, der auf der Frankfurter Buchmesse verliehen wird. Die 26jährige ist Mitglied der Literaturgruppe „die plattform“ eines „offenen autorenkollektivs sesshaft im grazer literaturhaus und walzierend durch die (kopf)welt“. Die Autorin selbst, so liest man, ist weniger sesshaft, sechs bis sieben Monate im Jahr war und ist sie auf Reisen (Togo, Benin, Nigeria und Ghana). 2015 nahm sie am Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 teil und gewann den Kelag-Preis und den BKS-Publikumspreis.
Winters Garten - ein sprachliches Kunstwerk
Und das zu Recht, denn Valerie Fritsch ist eine begnadete Schreiberin. Ihre Sprache in „Winters Garten“ ist so ungewöhnlich und scheint aus der Zeit gefallen. Viele Sätze/ Absätze gleichen einem sprachlichen Kunstwerk. Der Roman beginnt kraftvoll. Sie skizziert im ersten Kapitel um den jungen Protagonisten Anton Winter eine Dorfgemeinschaft, eine, die wirklich noch Gemeinschaft ist, die sich selbst versorgt, die den Kindern Freiheiten lässt. Die Alten sitzen zwischen den Jungen - alle lieben einander; jeder achtet auf jeden und alle achten und schätzen die Natur, die sie umgibt. Valerie Fritsch erschafft in diesem ersten Kapitel einen Sehnsuchtsort. Einen Ort, wo wahrscheinlich jeder hin will, den es aber nicht gibt. „Es war eine heilige Kinderzeit in diesem Garten und in diesem großen, todesvernarrten Haus, in dem Anton Winter so sehr zu Hause war und nichts anderes lernte, als ein großer Mensch zu werden und am Ende so klein zu sein wie alle anderen und keine Angst davor zu haben.“
Ein beklemmendes Ende
Brutaler Schnitt im 2. Kapitel: Anton zieht in die Stadt, wird erwachsen und Vogelzüchter - und wohnt in einem Glaskubus auf einem Hochhaus. Es herrscht eine depressive Endzeitstimmung – überall. Der Garten seiner Kindheit scheint Lichtjahre entfernt. „Auch in den Kirchen drängten sich Tag und Nacht die Menschenmassen, die im Gedröhne der Glocken wahnsinnig vor Angst um Gnade flehten. Während die eine unablässig einen Gott anriefen, glaubten die anderen an nichts mehr und zweifelten an allem.“ Viele Menschen nehmen sich das Leben, Völkerwanderungen setzen ein. Und inmitten dieser „Apokalypse“ verliebt sich Anton zum ersten Mal, in Frederike, die in einem Gebärhaus arbeitet. „Und doch war es ihr der schönste Ort, der beste Ort de Stadt. Alles lebte. Alles wuchs. Niemand gab auf. Jeder wollte retten und schützen, was ihm am Herzen lag.“ Auch Anton und Frederike wollen sich und ihre Liebe retten; sie möchten der Stadt entfliehen und gehen mit ihrem gemeinsamen Kind aufs Land, in den Garten aus Antons Kindheit. Aber es ist zu spät. Den Garten gibt es nicht mehr, nicht nur der Schnee des Winters hatte ihn unter sich begraben. Das Buch endet verstörend, traurig, beklemmend – vor allem, wenn man die aktuellen Nachrichtenbilder im Kopf hat.
Das Fazit von Lesering: Valerie Fritsch hätte den wichtigsten Buchpreis des Jahres unbedingt verdient.
Winters Garten, Roman
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
154 Seiten, 16,95 €