Paula Hawkins: Girl on the Train Bummelzug ins Beziehungsdrama

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Trotz des Bestseller-Status entfaltet der Debutroman von Paula Hawkins nur dem geduldigen Leser seinen Reiz.

Girl on the Train: Intrigenspiel mit überraschendem Ausgang. Foto: blanvalet

Paula Hawkins Debutroman Girl on the Train ist auf Anhieb zum Millionenseller geworden und hat auch in Deutschland die Bestsellercharts von Amazon gestürmt.

Hawkins entwirft in Girl on the Train ein raffiniertes Beziehungsdrama, das mit einer zufälligen Begebenheit beginnt und im Verlauf des Romans immer komplexer wird.

Der Leser verfolgt zunächst die trunksüchtige Rachel, die ihrer gescheiterten Ehe hinterher weint. Aus dem Zug heraus beobachtet sie jeden Tag ein Pärchen, das sie "Jess" und "Jason" tauft. Sie träumt sich in die Beziehung der beiden als ihr verlorenes Glück hinein, projiziert ihre eigenen Wünsche und Sehnsüchte in das unbekannte Pärchen.

Doch Rachel hat ganz ernsthafte Alkoholprobleme: Sie verfolgt ihren Exmann Tom und dessen neue Frau Anna, betrinkt sich derart, dass sie weite Teile ihrer Handlungen nicht mehr unter Kontrolle hat und wird sogar handgreiflich.

Währenddessen fixiert sich Rachel derart auf "Jess" und "Jason", dass sie vollkommen schockiert ist, als sie die junge Frau beim Schäferstündchen mit einem fremden Mann beobachtet. Für Rachel bricht erst recht eine Welt zusammen, als Megan, so der richtige Name der unbekannten Frau, eines Tages verschwindet.

Paula Hawkins arbeitet mit einem interessanten Perspektivenwechsel: Zunächst wird aus der Sicht von Rachel erzählt, dann berichtet Megan ("Jess") und schließlich Toms neue Frau Anna. Die Erzählungen sind dabei zeitlich geschickt versetzt. So erfährt der Leser zunächst Rachels Beobachtungen bis zu Megans Verschwinden. In zeitlich definierten Rückblenden führt Hawkins dann den Leser aus Sicht von Megan und Anna in die Vorgeschichte von Rachels Beobachtungen ein.

Dabei müssen Sie sich aber auf ein gerüttelt Maß an Psychosen gefasst machen. Dass Rachel eine Vollalkoholikerin in fortgeschrittenem Stadium ist, wird dem Leser schnell klar. Ihre häufigen Ausfälle zerren an den Nerven, bringen aber wenigstens etwas Bewegung in den oft von inneren Reflektionen beherrschten Anfang. Megan, also die fremde Frau mit Rachels Fantasie-Namen "Jess", entpuppt sich im Laufe der Geschichte nicht etwa als die Ideal-Partnerin in einer Traum-Beziehung, sondern als notorische Fremdgängerin. Anna ist hingegen die besitzergreifende Übermutter, die sich gegenüber Rachel und anderen Frauen ständig bestätigen muss.

Sie sehen schon: Ihnen wird als Leser eine große Flexibilität abverlangt, sich in diese Antipathen hineinzuversetzen. Wenn Sie die Hauptpersonen nicht mögen, wird´s schnell langatmig. Erst gegen Mitte des Buchs löst sich die Zugbremse und die Handlung kommt ins Rollen.

Paula Hawkins gelingt es nämlich irgendwann, das aus nur einem halben Dutzend Hauptpersonen bestehende Ensemble intelligent gegeneinander aufzubauen. Hier müssen wir ein wenig herumdrucksen, um die Überraschung nicht zu verderben. Aber: Keiner der Akteure ist letztlich so, wie er erscheint.

Fazit: Paula Hawkins ist mit Girl on the Train ein ordentlicher, aber kein überragender Thriller gelungen. Es ist möglicherweise keine glückliche Entscheidung gewesen, die Heldin in einem schon bald nicht mehr nachvollziehbar desolaten Zustand auftreten zu lassen. Mithin fehlt es in den einzelnen Abschnitten teils an Spannungselementen und an Cliffhangern, die den Leser weiter treiben. Sie müssen sich also schon auf wirklich kaputte Charaktere einlassen, um das Buch zu mögen. Das sieht man auch an den Amazon-Bewertungen: Bei 198 Lesermeinungen liegt der Schnitt bei 3,4 von 5 Sternen - im Grunde relativ wenig für einen Top-1-Bestseller.

Für wen eignet sich´s? Wie gesagt - wenn Sie auf Trunkenbolde, Ehebrecherinnen und Übermuttern stehen, dann lohnt sich Girl on the Train wegen der gut konstruierten Handlung. Allerdings sind Titel von Harlan Coben (siehe unser Buch-Test zu "Kein Sterbenswort") wegen der nachvollziehbareren Charaktere leichter verdaulich und letztlich wegen der komplexeren und sich überstürzenden Handlung spannender. Die von DreamWorks geplante Verfilmung könnte vielversprechend werden: Durch einige Cuts kann ein geübter Drehbuchautor die Handlung sicher deutlich beschleunigen.


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