Wer kennt es nicht die Sehnsucht ein wirklich gutes Buch in die Hand zu nehmen und darin zu versinken. Nichts leichter als das, man nehme einen Fallada Roman zur Hand. Meine Wahl traf dabei auf: „Ein Mann will nach oben". Komisch, irgendwie ist mir dieses Buch vorher einfach nie in die Hände gelangt.
Hans Fallada, mit bürgerlichen Namen Rudolf Ditzen, lebte von 1893-1947. Sein bewegtes Leben spielte sich zwischen seinen Süchten und verschiedenen Jobs als Inspektor, Buchhalter bis hin als Adressenschreiber- unterbrochen von einigen Gefängnisstrafen wegen Unterschlagung - ab. Er zählt zu den besten zeitgenössischen deutschen Autoren. In der Kürze seines Lebens schrieb Fallada sehr viele raumfüllende Romane, zu den bekanntesten zählen sicher: „Kleiner Mann was nun?“, „Bauer, Bonzen und Bomben“, „Wer einmal aus dem Blechnapf frisst“, „Der eiserne Gustav“ und sein 2011 erst neu verlegter ungekürzter Roman „Jeder stirbt für sich allein“. Dieser wurde sofort zum internationalen Verkaufserfolg und wird gerade mit internationaler Starbesetzung neu verfilmt.
Aber nun zu meinem Fundstück: Fallada hat diesen Roman 1943 während einer Reise mit dem Reichsarbeitsdienst nach Frankreich geschrieben. 1953 wurde der Roman erstmals veröffentlicht. Der Hauptcharakter Karl Siebrecht wird mit 16 Jahren im Jahre 1909 zur Vollweisen und setzt sich einen wilden Gedanken in den Kopf- nur raus aus der Provinz und Berlin erobern.
Es beginnt der rasante Kampf ähnlich dem des amerikanischen Traumes vom Tellerwäscher zum Millionär. Karl hat soviel Glück, dass er es kaum zu bemerken scheint, er landet per Zufall bei echten Freunden und stolpert über ein manch einflussreicher Persönlichkeit, will aber seinen Traum alleine ohne Hilfe verwirklichen und vergisst darüber fast das Wesentliche, dass man Glück und Freunde nicht kaufen kann. Der junge Siebrecht hat die Idee, das Geschäft der Berliner Kofferträger, die in Berlin das Gepäck der Reisenden zwischen den verschiedenen Bahnhöfen transportieren, zusammenzufassen und ganz groß selbst zu betreiben.
Gleich einem Maler entwirft Fallada vor dem Auge des Lesenden das Bild vom Berlin kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Es gelingt ihm kolossal! Das kurze Glück und der Aufbau seines gerade gegründeten Fuhrunternehmens nehmen ein jähes Ende als der Erste Weltkrieg ausbricht und der junge Karl Siebrecht Soldat wir und wie alle anderen jungen Männer quasi verschwindet und 1919 erst nach langer französischer Kriegsgefangenschaft in das am Boden liegende Deutschland nach Berlin zurückkehrt.
Mit unbändigen Willen seinen Traum durchzusetzen, fiebert man als Leser von Seite zu Seite mit. Das Verhalten des Protagonisten den Menschen gegenüber, wird verständlich und der Leser verzeiht die eiskalte Art seinen Freunden gegenüber und freut sich mit ihm über sein Gelingen und ist traurig über jeden Rückschritt. Ganz nebenbei bekommt man eine kleine Geschichtslektion über die Zeit der Weimarer Republik, von der Inflation bis hin zur Einführung der Rentenmark und der folgenden Depression. Ein schwer geführter Kampf, der für Siebrecht selbst in diesem Buch gut endet. Doch der Leser weiss, was in den Folgejahren passiert. Und: der Leser wird sich in den Berliner Singsang verlieben- ob er will oder nicht!
Hans Fallada
Ein Mann will nach oben
Broschur, 761 Seiten
Aufbau Taschenbuch
ISBN 978-3-7466-2688-8
12,99 €