70 Jahre Kriegsende. 70 Jahre, in denen Vieles schief lief bei der Aufarbeitung des Krieges. Viele Jahre hat es gebraucht, um die Opfer-Täter-Frage (neu) zu stellen. Auch der Prozess und die Diskussion darüber gegen den 93 Jahre alten KZ-Finanzaufseher Oskar Gröning in diesen Tagen zeigt, wie unbeholfen wir uns mit unsere Geschichte fühlen.
Durch die Vergabe des Pulitzer-Preis für Belletristik an Antony Doer bin ich auf das Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“ aufmerksam geworden. Die beiden Protagonisten: der hochbegabte deutsche Waisenjunge Werner und die blinde Französin Marie Laure.
Deutschland in den 40er Jahren des 20.Jahrhunderts. Werner ist klug und hat viele Fragen. Aus einfachen Mitteln bastelt er heimlich einen Radioempfänger: sein Tor zur Welt. Zusammen mit seiner Schwester Jutta hört er heimlich Wissenssendungen – gesprochen von einem Franzosen. Werner träumt von der Welt. Er kommt später als Hochbegabter auf das Elite-Nazi-Internat im thüringischen Schulpforta. Endlich fühlt er sich dazugehörig, auserwählt. Das Internat ist für ihn zunächst ein Stück Zuhause. Doch schnell erkennt er die Grausamkeiten und fühlt sich mehr und mehr unwohl. Die Brutalitäten an seinem besten Freund Frederice öffnen ihm dann vollends die Augen. Doch ein Entkommen vor dem System gibt es nicht. Seine technische Begabung führt ihn mit 14 Jahren in eine Wehrmachtseinheit, die in ganz Europa per Peilsender Partisanen aufspüren soll. Kurz vor Kriegsende wird er nach Frankreich in einen Küstenort gerufen. Er soll französische Verräter entarnen.
Zur gleichen Zeit in Paris. Marie Laure verlebt hier mit ihrem Vater, Schlosser in einem bedeutenden Mineralienmuseum, eine den Umständen entsprechende friedlichen Kindheit. Ebenso wie Werner ist sie wissbegierig und neugierig auf fremde Länder. Mit Hilfe von Büchern flüchtet sie in andere Welten. Doch dann wird Paris bombardiert. Sie und ihr Vater flüchten. Sie fliehen in denselben französischen Küstenort - in dem jetzt der Deutsche Werner den Widerstand jagt -in das Haus Ihres Onkels. Sie spürt, dass ihr Vater ein Geheimnis hat. Der Vater muss plötzlich wieder nach Paris. Er verspricht, in spätesten 7 Tagen wiederzukommen. Doch sie wird ihn niemals wiedersehen.
Statt dessen kreuzen sich schicksalhaft die Wege von Marie und Werner. Marie Laurie verkörpert die Reinheit in Person. Werner hat durch seine Arbeit an der Front vielen Menschen den Tod gebracht. Er fühlt sich alles andere als rein. Jede Nacht verfolgen ihn die Toten. Als Werner Marie Laure trifft, weiß er, dass er das Mädchen unbedingt retten muss. Mehr als alles andere.
Ohne Pathos, in einer klare Sprache wird die Geschichte erzählt. Die Jury des Pulitzer Preises lobte die kurzen, vielschichtigen Kapitel des Buches. Das Buch fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.
C.H. Beck
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3406680631
ISBN-13: 978-3406680632
Originaltitel: All the Light We Cannot See
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