In seinem neuen Justiz-Drama "Glauben" versetzt der Bestsellerautor Ferdinand von Schirach die sogenannten "Wormser Prozesse" der neunziger Jahre in die Gegenwart. Dabei übt er scharfe Kritik an die immer oberflächlicher werdende Debatten-Kultur in den Sozialen Medien. Zum ersten Mal schrieb von Schirach das Drehbuch zu dieser siebenteiligen Serie ausschließlich selbst. Am 25. August haben die Dreharbeiten begonnen, ausgestrahlt wird "Glauben" zunächst auf TVNOW, später dann bei VOX.
In einer westdeutschen Kleinstadt entdeckt ein Kinderarzt im Zuge einer Untersuchung bei einem Mädchen körperliche Spuren, die auf eine Vergewaltigung schließen lassen. Mit seiner Diagnose beginnt einer der größten Missbrauchsprozesse der jüngeren deutschen Geschichte. In Ferdinand von Schirachs Drama "Glauben" ist des die Hauptkommissarin Laubach (Désirée Nosbusch) die sich des Falles annimmt. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, brodelt es in den Sozialen Netzwerken. Hass schürt sich, Forderungen werden laut, die Todesstrafe für Kinderschänder wieder einzuführen. Die hitzigen Debatten scheinen kaum daran interessiert, sich genauer mit dem Fall auseinanderzusetzen, stattdessen spielen sich die Beteiligten gegenseitig hoch und stacheln sich weiter an. Währenddessen geht es auch auf der juristischen Seite weiter voran. Staatsanwalt Cordelis (Sebastian Urzendowksy) erhebt in drei Prozessen Anklage gegen insgesamt 26 Bewohnerinnen und Bewohner der Kleinstadt. Die Anklage: Das Betreiben eines Kinderpornografie-Ringes.
Der alkoholkranke Berliner Strafverteidiger Schlesinger (Peter Kurth), soll im Auftrag einer kriminellen Geldeintreiberin einen der Angeklagten im dritten Prozess vertreten. Er nimmt an. Im Zuge seiner Arbeit hat er nicht nur mit seinen Mandaten und deren Falschaussagen zu kämpfen, sondern auch mit institutionellen Hindernissen. Am Ende stellt sich heraus, dass das das Verbrechen, welches seinem Mandanten vorgeworfen wird, nie stattgefunden hat.
Bezüge zu Realität - Die Wormser Missbrauchsprozesse
Ferdinand von Schirach greift mit seinem Drama einen tatsächlich in den neunziger Jahren stattgefundenen Prozess auf, und gibt diesen einen gegenwärtigen Anstrich. Der sogenannte Wormser Justizskandal erreignete sich von 1993 bis 1997, und umfasst drei Strafprozesse, die vor dem Landesgerich Mainz ausgetragen wurden. 25 Männer und Frauen wurden damals des massenhaften Kindesmissbrauchs beschuldigt. Nach zwei Jahren und sieben Monaten Untersuchungshaft mit über 300 Verhandlungstagen wurden 24 der Angeklagten freigesprochen.
Von Schirach setzt diesen Prozess nun in einen aktuellen Rahmen. Dabei wirft er einen genaueren Blick auf die bedenklichen Entwicklungen der Debattenkultur im Internet und den Sozialen Medien, in denen Empörung und Hass oft an die Stelle einer tieferen Beschäftigung mit komplexen Themen treten. Am Beispiel des Kindesmissbrauches zeigt der Bestsellerautor, wie Pauschalisierungen und Vorverurteilungen zunehmend Hass schüren, ohne dass sich die Hetzer genauer mit den Umständen und der juristischen Lage des Falles beschäftigt haben. In "Glauben" ist es dann ein verschuldeter Staatsanwalt, der der Massenhysterie eine kritische Auseinandersetzung und somit einen von Vernunft geleiteten Blick entgegensetzt.
"Das Wesentliche dieser Verfahren war das Versagen aller gesellschaftlichen und rechtlichen Institutionen, der Presse und der Öffentlichkeit. Die allgemeine Empörung, der ungebremste Hass und die furchtbare Hysterie damals ist den heutigen gesellschaftlichen Zuständen sehr ähnlich. Es lag deshalb für mich nahe, aus den Wormser Missbrauchsprozessen eine Serie zu machen, die in der Gegenwart spielt und alle neuen Elemente aufnimmt, mit denen wir heute leben müssen. 'Glauben' ist ein Format über unsere Zeit, über die Welt, in der wir heute leben. Es erzählt die Geschichte eines allgemeinen Versagens der Gesellschaft. Ich bin sicher, dass es zu einer breiten Diskussion darüber führen wird, wer wir heute sein wollen." (Ferdinand von Schirach über sein Drama "Schuld")