Buchstaben sind Millas Albtraum! Sobald das neunjährige Mädchen ein Buch aufschlägt, verwandeln sich die Schriftzeichen in eine böse, hämisch kichernde Ameisenbande. Natürlich ist das Lesen unter diesen Umständen völlig unmöglich und so droht der kleinen Romanheldin in Katharina Schödes Roman „Hey, Milla ! – Mein geheimer Wünschesommer“ das Sitzenbleiben am Schuljahresende. Zum Glück ist Milla äußerst erfinderisch und abenteuerlustig, daher schmiedet sie ganz allein einen tollen Rettungsplan, der allerdings einen gewaltigen Haken hat!
Grundschülerin Milla lebt mit ihrem Superpapa Max und einem zotteligen Riesenhund namens Lupo in einer gemütlichen Wohnung. Mit der Pünktlichkeit hat das Vater-Tochter-Team so seine Probleme; was auch daran liegt, dass sie die wichtigen Dinge immer erst ewig suchen müssen... Dafür sprudelt Milla vor Ideen und Geschichten nur so über. Eigentlich müsste Deutsch ihr Lieblingsfach sein. Doch sie hasst es. Denn die ollen Buchstaben mutieren beim Anschauen zu wuseligen, fiesen Ameisen, die aus dem Buch krabbeln oder Milla auslachen. Die Lehrer diagnostizieren eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, Milla soll deswegen in eine Förderklasse.
Ein Plan wird geschmiedet...
Aber das sensible Kind leidet bereits unter dem Spott der Klassenkameraden und hat eine furchtbare Angst vor dieser Sonderklasse, die als „Idiotenklasse“ bezeichnet wird. Als sie auch noch ihre Lehrerin tratschen hört, der Milla fehle es an Struktur, da sie keine Mutter mehr habe, ersinnt das Kind einen Plan: Sie will ihren Vater mit seiner energischen, planvollen Kollegin verkuppeln, damit diese als Ersatzmutter die anscheinend so überaus wichtige Struktur in die Familie bringt.
Daher willigt Milla in einen Vorschlag ihres Vaters ein, der sie in eine Ferienschule im Chiemgau schicken will. Dort soll die Lese-Rechtschreib-Schwäche mit strengster Disziplin bekämpft werden. Milla hofft, dass der Vater die freie Zeit nutzt, um sich ordentlich zu verlieben...
Alles läuft schief!
Der Neunjährigen graut es vor dem bayrischen Internat, doch sie will sich ihren Schulproblemen stellen. Aber schon bei der Anreise zur Ferienschule läuft alles schief: Vater und Tochter verschlafen, das Auto springt nicht an... So landet Milla schließlich allein in einer Bahn. Oder doch nicht so ganz allein: Millas Hund Lupo ist dem Vater ausgebüxt und sucht laut bellend im Zug nach seinem Frauchen. Beim ersten Halt landen Milla und Lupo auf einem unbekannten Bahnsteig im Nirgendwo, der Zug fährt ohne sie weiter. Milla ist entzückt über das unverhoffte Abenteuer und wandert munter drauflos, denn Bergaudorf, der Ort an dem die Ferienschule stattfinden soll, ist auch der Geburtsort ihrer verstorbenen Mutter.
Der Almhütten-Indianer
Milla fühlt sich in dem Dorf zu Hause und beschließt, das Ferieninternat abzusagen und den Sommer über bei ihrem Onkel zu leben, der als Einsiedler in den Bergen über dem Dorf lebt. Als sie spätabends bei diesem unbekannten Onkel ankommt, ist sie geschockt: Der Bruder ihrer Mutter lebt als Indianer gekleidet in einem Tipi und hackt mit einer Riesenaxt auf Baumstämme ein, die er in Geisterfiguren umwandelt. Doch der Einsiedler kümmert sich um das kleine Mädchen, hört sich die Sorgen und Ängste des Kindes genau an und entwickelt dann einen sehr originellen Hilfsplan. Milla versucht, Internat und Vater auszutricksen, um einen ungezwungenen Indianersommer zu erleben, doch dadurch werden ihre Schwierigkeiten nur noch größer...!
Ein flammendes Plädoyer für Inklusion
Mit der neunjährigen Milla hat Katharina Schöde eine sympathische, lebensfrohe Romanfigur kreiert, mit der sich viele Kinder identifizieren können. Milla steckt voller Pläne, kämpft tapfer gegen ihre Sorgen und versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Das Kinderbuch ist eine warmherzige Mischung aus Coming-of-Age und Abenteuergeschichte, prall gefüllt mit witzigen Einfällen.
Doch der Autorin gelingt es auch, die unterschiedlichen Blickwinkel von Kindern und Erwachsenen bei Schulproblemen offenzulegen. Sie zeigt das traditionelle Leistungsdenken der Erziehenden in Schule und Elternhaus, und die individuelle, oft magische Sichtweise der Kinder. Katharina Schöde beleuchtet gängige Vorurteile rund um das Thema „Lese-Rechtschreib-Schwäche“. Ihr Roman ist daher auch ein flammendes Plädoyer für Toleranz und für die Inklusion als sinnvollem Unterrichtsweg, um die einzelnen Schüler wahrnehmen zu können, anstatt sie in Gruppen auszusortieren.
Die Autorin und die Illustratorin
Die in Köln geborene Katharina Schöde lebt heute mit ihrer Familie in Berlin. Nach dem Studium an einer Hochschule für Fernsehen und Film arbeitet sie als Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin für TV- und Kinofilme.
Die Illustratorin Lisa Hänsch arbeitet in Köln beim Trickfilm und zeichnet für Kinder- und Jugendbücher.
Kathrarina Schöde, Hey, Milla! – Mein geheimer Wünschesommer, erschienen 2020 im Loewe Verlag, empfohlen für Mädchen und Jungen ab 8 Jahren, 208 Seiten, 9,95 Euro (gebundenes Buch)