An diesem Wochenende beginnen die Salzburger Festspiele. Gleich am 2. August wird das neue Theaterstück des Literaturnobelpreisträger Peter Handke uraufgeführt. Im Mittelpunkt des knapp mit "Zdeněk Adamec" betitelten Dramas steht ein junger Tscheche, der sich im Jahr 2003 auf dem Prager Wenzelplatz selbst anzündete und verbrannte. Die zentrale Frage des Stückes lautet: "Wie hält man es aus, in dieser Welt?"
Peter Handke ist einer der wenigen "Medienstars", die die Medien, in denen sie zu Stars gemacht wurden, strikt ablehnen. Seit ihm im Jahr 2019 der Nobelpreis für Literatur zuerkannt wurde, liest man den Namen des österreichischen Autors immer häufiger in den Schlagzeilen. Handke, so lauten die bis heut erhobenen Anschuldigungen, verharmlose die kriegerische Rolle Serbiens im Jugoslawienkonflikt und stellt einen Völkermord infrage, der bewiesen ist. Der Autor selbst hält sich mit Reaktionen zurück und ignoriert die medialen Anschuldigen weitestgehend. Werden diese doch in einer Welt erhoben, deren Aufgebrachtheit und Affekt-Strukturen der Autor schon seit Jahren ablehnt. Seine Art des Kommentierens ist das Schreiben. Zwei Bücher sind seit der Verleihung des Nobelpreises bei Suhrkamp erschienen. Jetzt folgt ein Theaterstück, welches im Zuge der Salzburger Festspiele uraufgeführt wird.
Dass es vor, während und nach der Aufführung des Stückes "Zdeněk Adamec" zu Protesten kommen wird, ist nicht ausgeschlossen. Die Opferrechtsorganisation "Mütter von Srebrenica" kündigte einen solchen bereits an. Das Drama selbst hat thematisch nichts mit dem Balkankrieg zu tun, doch soll wohl eine der seltenen Gelegenheit genutzt werden, gegen die weitere Verbreitung von Handke produzierter Kunst zu protestieren.
Wie hält man diese Welt aus?
Eingriff in die Kunstfreiheit? Verabschiedung, Verdrängung, Abholzung eines Autors? Gerechtigkeit womöglich? Die Frage nach der Legitimität gewisser Künstler*innen und deren Werke spukt nicht erst seit der letzten Nobelpreisverleihung durch die Kunstwelt. Seit eingen Jahren schon herrscht eine regelrechte Petitions-Sucht; Unterschriften-Revolutionen treten an die Stelle, wo einst protestantische Gegen-Werke produziert wurden. Peter Handke, der bekanntlich entschiedener Gegner des tagesaktuellen Journalismus und damit der tagtäglichen Sensations-Jagt ist, interessiert sich schon lange nicht mehr für Massenerregungen dieser Art. Sein Protest ist die Kontemplation, der Rückzug, die Langeweile, das Eremiten-Dasein. Und wie der "Held" aus seinem Stück, fragt sich auch Handke aus der Abgeschiedenheit heraus, wie man es in der dauererregten Welt da draußen aushalten kann?
Dieser Held, Adamec, fand auf diese Frage keine Antwort. Er verbrannte sich im Jahr 2003, eben aufgrund des unhaltbaren Zustandes der Existenz in dieser Welt, auf dem Prager Wenzelplatz. Der Druck einer geld- und machtdurchtränkten Welt, die von mobilfunkgesteuerten Bewohner besiedelt ist, die in ungeheurer Geschwindigkeit ihre Urteile verschießen, war nicht länger zu ertragen. Kommentatoren bezeichneten den Verzweifelten später als einen Verrückten.
"Zdeněk Adamec" ist ein Text, der versucht, Gedankenfetzen, Protest gegen die Geschwindigkeit, Fakten, Figuren und Biografien zu verarbeiten. Es ist nicht der Versuch, Licht in die Dunkelheit zu bringen, sondern im Gegenteil ein Bemühen darum, von Schlagzeilen geblendet den Schalter zu finden, der die Lichterflut beendet. Nur was greifbar ist, ist zu verarbeiten, und so wollen wir uns auf die wenigen, aus der Luft gegriffenen Reste beziehen, die uns bleiben. Dass diese Versuchsanordnung nicht nur Verirrungen, sondern auch Wut mit sich bringt, ist selbstverständlich. Und vielleicht bleibt am Ende die innere Erregung über die Dauererregtheit der letzte Ansatz, sich diese grelle Welt begreifbar zu machen.
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