In einem Interview mit dem "Handelsblatt" blickt der Philosoph Richard David Precht kritisch auf die in Deutschland eingeführten und herrschenden Corona-Beschränkungen. In Teilen habe man mit den Maßnahmen"offenkundig überreagiert", so Precht. Weiterhin warnte er vor den viel rapideren Gefahren des Klimawandels.
Richard David Precht über Corona-Maßnahmen: "In Teilen offenkundig überreagiert"
Zwischen der Last der eigenen Verantwortung, wirren Verschwörungstheorien und wütenden Hygiene-Demonstrationen ist es oft schwierig, in Sachen Corona den Überblick zu behalten und einen klaren Kopf zu bewahren. Entsprechen die in Deutschland eingeführten Corona-Maßnahmen tatsächlich den Gefahren, die von dem Virus ausgehen? Ist die Schließung von Geschäften, die Beschränkung sozialer Kontakte und damit die nicht unerhebliche Freiheitsbeschränkung gerechtfertigt? Darüber sprach der Philosoph Richard David Precht in einem Interview mit dem "Handelsblatt". Und fand klare Worte:
“Angesichts von derzeit wenigen Hundert Menschen, die in Deutschland wirklich mit Corona zu kämpfen haben, muss man sich schon überlegen, wie weit man das gesamte öffentliche Leben weiterhin so einschränken sollte.”
"Ganz offenkundig überreagiert"
Precht ist der Meinung, man habe, was die eingeführten Maßnahmen betrifft, teilweise eindeutig überreagiert. Im April hatte er gegenüber der Frankfurter Rundschau noch davon gesprochen, dass man der Corona-Politik in Deutschland keine größeren Vorwürfe machen könnte. Jetzt, zwei Monate später, haben sich die Umstände allerdings weitreichend gewandelt, die Infektions-Zahlen sind rapide gesunken, mit dem Corona-Virus zu kämpfen haben in Deutschland gegenwärtig nur wenige hundert Menschen. Was die Beschränkungen angeht, hat die Politik nachgelockert. Doch reicht das aus?
Prechts Blick auf die Corona-Krise rotiert um den Freiheitsbegriff. Wie existenziell muss eine drohende Gefahr sein, dass gewisse Einschnitte in die Freiheit von Bürgerinnen und Bürger damit legitimiert werden können? Der Philosoph wunderte sich hier über die Bereitschaft der Bevölkerung zum Verzicht, bezieht diese aber sogleich auf die Frage des Klimawandels:
"Im Kampf gegen das Virus waren wir alle ja auch erstaunlich schnell bereit, auf vieles zu verzichten – auch die, die beim Klimawandel auf gar nichts verzichten wollen. Der Unterschied ist halt: Die Corona-Maßnahmen galten dem Schutz der Großeltern, der Kampf gegen den Klimawandel gilt dem Schutz unserer Enkel."
Erstaunlich sei gewesen, dass jene Politiker, die die striktesten Maßnahmen einführten (Markus Söder zum Beispiel), prompt den größten Beifall erhielten, so Precht. Auch wenn Bayern durch seine geographische Nähe zu Österreich in einem anderen Maße vom Coronavirus betroffen gewesen ist als andere Teile des Landes, war die aufgekommene Begeisterung für diese "Health-and-Order-Politik" doch bemerkenswert.
Zweiter Shutdown und die Politik der Grünen
An einen zweiten Shutdown glaubt Precht nicht. Diesen könnten wir überhaupt nicht bezahlen, so der Philosoph. Der erste Shutdown habe ja bereits dazu geführt, dass die Weltwirtschaft am Rande des Ruins steht.
Die "größte Enttäuschung der ganzen Seuche" ist in Prechts Augen die Slow-Motion Politik der Grünen. Anstatt "jetzt ganz konkret für einen großen Umbau zu mehr Nachhaltigkeit einzustehen", kämen von Seiten der Oppositionspartei lediglich seichte Vorschläge. Im Interview weist er ein weiteres Mal darauf hin, wie wichtig eine Politik der Nachhaltigkeit wäre, da die mit dem Klimawandel einhergehenden Katastrophen Corona bei weitem übertreffen werden, wenn wir unsere Wirtschaftsweise nicht augenblicklich radikal überdenken und in andere Bahnen lenken.
"Jetzt müssten sie mutige Forderungen stellen, weil nur große Forderungen der verheerenden Situation unseres Planeten angemessen sind. Aber da kommt nach wie vor viel zu wenig Konkretes."
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