Jetzt ist es vorbei! Am 4. Mai kehrt die Normalität zurück. Die Radiosender berichten rund um die Uhr davon. Man fühlt sich geradezu neu geboren, frisch gewaschen. Ein warmer Wind bläst durch das Föngetriebe der Republik.
Freilich findet manch einer gleich ein Haar in der Suppe. Wieso darf jetzt auf einmal die Branche ihre Pforten auftun, die historisch gesehen aus dem lumpig-spelunkigen Geschäft mit medizinischen und moralischen Seuchen hervorging? Deren blonde, brünette und schwarze Dienstgeister mit reizvoller Weiblichkeit Kundenwünsche erfüllen? Die von jeher der Inbegriff kommunikativer Geselligkeit ist, wo Wirte und Zwischenwirte polemisieren und Gäste über Nachbarn tratschen. An dessen Tresen bakterienverseuchte Trinkgelder gezahlt werden. Selbst die Musikwelt verdankt diesem Geschäftszweig eine eigene Sparte mehrstimmigen Männergesangs.
Wie sollen denn in einem solchen Geschäft und im Rausch der wiedergewonnenen Freiheit Abstandsregeln und Maskenpflicht eingehalten werden? Hier schnell ein schlüssiges Hygienekonzept zusammen zu frisieren, ist eine recht haarige Angelegenheit. Zu früh! Zu unvorsichtig! Schreit manch einer haareraufend. Wie kann man nur so bedenkenlos die mühsam erarbeiteten Vorteile in den Abfluss spülen?
Andererseits gehen einem diese sieben Wochen Ausgangsbeschränkung auch an die Wurzel. In diesem staatlich verordneten Kontaktverbot sind wir alle zu verwahrlosten Struwwelpetern und – lieschen verkommen, haben jegliche Form des sozialen Miteinanders verlernt. Da ist es Zeit, sich mal wieder schick und salonfähig zu machen. So dick ist unser Fell nicht, dass es noch weitere Wochen ohne Schur und Rasur ausgekommen wäre. Schon beim Gedanken an härtere Maßnahmen stehen einem die Haare zu Berge. Erlösung verspricht die Locke-rung vom 4. Mai.
Da erscheint inmitten einer Haare und sich selbst spaltenden Gesellschaft der Friseur als Deus ex Machina, der den Haarknoten löst und das Ende einleitet. Und auch die Friseurin, die in den sonst genderkorrekten Radiosendern diesmal ganz unerwähnt bleibt. Ob nun aber die Frisierende oder der Friseuserich: In Abwesenheit dessen, was man Frisur nennt, beeindruckt mich persönlich diese überschwänglich gefeierte Entwicklung leider nur wenig. Statt blond, brünett und schwarz hätte ich jetzt gern Helles und Weiße.