Natürlich liegt es nahe, sich in Zeiten der Quarantäne wieder auf die Literatur zu besinnen. Wie sinnvoll aber ist es, ausgerechnet jetzt Bücher zu lesen, die apokalyptische Ausnahmesituationen zum Thema haben? Stellen Sie sich mal vor: Die Welt wird eine andere, und besser. (Lesetipps)
Für die bessere Welt danach (Lesetipps)
Die Welt ist im Ausnahmezustand. Wir erleben derzeit eine nie dagewesene, völlig neue Situation, die wir gemeinsam zu bewältigen haben. Und da ist es auch schon. Das Wörtchen gemeinsam. Zwischen all den von egozentrischer Panik getriebenen Hamsterkäufen, entstehen nämlich auch neue soziale Verflechtungen, die im Zuge der Corona-Pandemie sichtbar werden. Auch ensteht in dieser zweifelsohne schwierigen Zeit eine neue Sichtweise auf die Welt, die, so hört man immer häufiger, nach Corona nicht mehr die selbe sein wird. Wie aber, könnte sie werden?
In unserer aktuellen Redaktionellen Empfehlung sprechen wird über Albert Camus Roman "Die Pest" und über die Tatsache, dass gerade in kollektiven Ausnahmesituationen das Maß an Menschlichkeit sichtbar wird. Jetzt, eine knappe Woche später, hat sich die Situation weiter verschärft: Restriktionen von Seiten der Regierung, die Bitte, so weit wie möglich auf soziale Kontakte zu verzichten, die Schließung von Schulen und Kitas, Spielplatz-Verbot. Es bricht eine Quarantäne-Zeit an, und mit ihr die - vielleicht einmalige - Möglichkeit, über das eigene "Maß an Menschlichkeit" zu reflektieren, welches Camus einst beschrieb. Die Welt wird nicht untergehen (das Corona-Virus ist nicht der Klimawandel), aber, wie der Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Žižek annimmt, eine durchaus anders wahrnehmbare sein. Vielleicht ist es daher gerade jetzt wichtig, sich mit Ideen auseinanderzusetzen, die unser gesellschaftliches Beisammensein anders denken. Hier einige Vorschläge.
Harald Welzer - Alles könnte anders sein
Harald Welzer ist Soziologe und Sozialpsychologe. In seinem Buch "Alles könnte anders sein" beschäftigt er sich mit konkreten Utopien, dass heißt mit Ideen, die utopisch erscheinen, im Grunde aber sofort umsetzbar wären. Eine dieser konkreten Utopien lautet zum Beispiel "Die autofreie Stadt". Ganz abgesehen von den Problemen des Klimawandels, wäre eine Stadt ohne Autos die durchaus lebenswertere, so Welzer. Kein dröhnender Verkehr, bessere Luft, weniger Stress, und natürlich immens viel Raum (Parkplätze, Autohäuser etc. wären obsolet), der für soziale Begegnungen oder ganz als Baufläche für neuen Wohnraum genutzt werden könnte.
Wie könnte eine gute Zukunft aussehen? Harald Welzer entwirft in seinem Buch Antworten auf Fragen der Migration, der Digitalisierung und der Wirtschaft; Fragen, denen wir uns notwendigerweise stellen werden müssen.
Richard David Precht - Jäger, Hirten, Sammler
Auch der Philosoph Richard David Precht denkt in seinem Buch über eine lebenswertere Zukunft nach. Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung, ist Precht der Überzeugung, können von unserem gegenwärtigen System nicht abgefedert werden. In vielen Bereichen der Arbeitswelt werden Jobs wegfallen, die Leistungsgesellschaft, wie wir sie kennen, wird dadurch nicht mehr länger erhalten bleiben. Doch ist das überhaupt ein Verlust? Der Philosoph plädiert dafür, über die anstehenden Veränderungen jetzt zu reden, und somit die Weichen in eine digitale und lebenswerte Zukunft rechtzeitig umzustellen. Sich auf veraltete Konzepte zu verlassen ist ebenso fatal, wie weiterhin - schweigsam und beinahe vergnügt - auf eine Diktatur der Digitalkonzerne zuzusteuern.
David Graeber - Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit
Auch David Graebers Bullshit Jobs können eine erhellende Lektüre für die Quarantäne-Zeit sein. Graeber beschreibt hier Jobs, die nicht nur völlig sinnlos und unnötig, sondern auch schädlich sind. Auch bei ihm geht es zum Teil um Jobs, die im Zuge des technischen Fortschritts von Maschinen ersetzt worden sind. Dennoch, so zeigt der Ethnologe auf, ist die durchschnittliche Arbeitszeit keineswegs gesunken, sondern gestiegen. Ganz zu schweigen von den oft miserablen Beschäftigungsverhältnissen.
Bullshit-Jobs, dass sind Berufe, die keinen sinnvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten. David Graeber analysiert, wie es dazu kommen konnte, dass eine Ökonomie diese bezahlt, was für Entwicklungen daraus resultieren, und wie wir den aktuellen Status quo verändern können.
Thomas Morus - Utopia
1516 von Thomas Morus verfasst, ist nicht zuletzt Utopia ein Text, der gern mal wieder gelesen werden darf. Morus schildert in diesem philosophischen Dialog das Leben auf einer fernen, idealen Gesellschaft, und gab somit den Auftakt zum Genre der Sozialutopie. Die hier beschriebene Gesellschaft fußt auf dem demokratischen Prinzip der Gemeinschaftlichkeit. Arbeit und Besitz werden geteilt, die Gesellschaft strebt gleichsam nach Bildung, und schreitet somit voran.
Morus viel zitierte und bahnbrechende Schrift diente unzähligen Zukunftsplaner*innen als Blaupause. Nicht zuletzt war Utopia als eine Kritik an die damals in Europa (insbesondere in England) herrschenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse gerichtet.