Rezension Ein Rachefeldzug, quer durch die Medien

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Nach der Verleihung des Literaturnobelpreises, sah sich der österreichische Schriftsteller Peter Handke diversen medialen Angriffen ausgesetzt. Der Held seines neuen Buches, schlägt nun zurück Foto: Suhrkamp

Bereits im April letzten Jahres, also noch bevor der von der Verleihung des Literaturnobelpreises ausgelöste Mediensturm über ihn hereinbrach, schrieb der österreichische Autor Peter Handke an einem Buch mit dem Titel "Das zweite Schwert". Jetzt ist die "Magiegeschichte" bei Suhrkamp erschienen. Sie liest sich wie eine Abrechnung mit der oberflächlichen und oft allzu populistischen Sprache der Medien.

Erst lesen, dann urteilen; so lautete Peter Handkes Antwort auf die medialen Angriffe, die sich im vergangenen Jahr nach der Verleihung des Literaturnobelpreises gegen ihn organisierten. Handke, ein großer Schriftsteller, erkannte natürlich sofort, dass es keinerlei beachtenswerten Zusammenhang zwischen den Äußerungen der Kritiker*innen und seinen Büchern gab, und begegnete den Angriffen - nach ersten, auf die Literatur verweisende Erklärungen - mit Schweigen.

Jetzt erschien das neues Buch "Das zweite Schwert" des österreichischen Schriftstellers. Und auch wenn es nicht als Antwort auf den besagten Medientumult geschrieben wurde, so könnte man es doch als eine solche lesen; rechnet Handke hier doch mit der oberflächlichen und bagatellisierenden - zuweilen auch brutalen - Sprache der öffentlichen Medien ab. Der uns hier gebotene Ich-Erzähler erkennt eines Morgens beim Blick in den Spiegel das "Gesicht eines Rächers". Von klein auf war dieser doch recht typische Handke-Held (ein zurückgezogener Weltenbummler) mit Gewalt konfrontiert; beispielsweise in Form seines die Mutter prügelnden Vaters. Gewaltphantasien regten sich bereits im frühen Alter. Doch niemals waren diese so stark und ausgeprägt wie in jenen Tagen, an denen die Mutter in einem Zeitungsartikel einer Journalistin als Parteigenossing der Nazis diffarmiert wird. Diese Form der Gewalt, die Gewalt der öffentlichen Medien, lässt die Schläge des Vaters, der die Mutter quer durchs Haus prügelte, im Schatten verschwinden:

"Ihre Gewalt, indem sie als die alleinrichtige, die es besser wissende, allesdeutende, allesbeurteilende, enthoben den Dingen, den Werken, den Tagen, ihre Schriftzeichen schlang, schlaufte, knüpfte und zuzog, war es, die in meinen Augen auf dem Erdkreis das größte Unheil anrichtete und ihren – das gehörte zur Natur solchen Fernschreibens – wehrlosen Opfern nie wiedergutzumachendes Unrecht zufügte.“

Die Sprache rächen

Handkes Medienkritik ist im gleichem Maße eine Liebeserklärung an die Literatur. Der Rächer zeiht los, um der Sprache ihren gebührenden Platz zurück zu erkämpfen, er wetzt die Messer gegen die Verrohung des Textes, gegen die Oberfläche der schnellen Meinungsmache, gegen die Schubladen des Denkens - und damit eben ausgerechnet gegen jene Methodik, der der Literaturnobelpreisträger selbst zum Opfer gefallen war.

Das Faszinierende an dieser Medienkritik ist, dass Handke, um diese voranzutreiben, nichts anderes tun muss, als Schreiben. Jeder Satz ist als Teil eines Zeitungsartikels unmöglich. Und genau hier, auf dieser, logischerweise, von der ersten bis zur letzten Seite geöffneten Ebene, vollzieht sich der eigentliche Angriff, parallel zur Erzählung. Der Held zieht los, gemeinsam mit seinen Sätzen; er tritt in die Welt, und nährt sich über Punkt und Kommata dem "Gipfel der Gewalttätigkeit", der bis ins Einfachste hinein geschändeten Kommunikationsformen, der öffentlichen Hinrichtung der Literatur.

Und was uns, als lesende Weg-Begleiter, auffällt ist einfach: Schreiben bedeutet, sich auf die Suche nach einer Sprache zu machen, die Konkurrieren kann, die sich absetzt. Literatur bedeutet Kontemplation, bedeutet versinken und nicht swipen, bedeutet ein stilles Zimmer, das mit Tönen gefüllt werden will, muss. Peter Handke hat es als einer der wenigen deutschsprachigen Autoren geschafft, ein Zimmer voll eigener Töne zu erschaffen. Ein Handke Roman ist nach wenigen Sätzen schon, unbedingt, Handke. Wer könnte sich besser der tödlichen Verwechslungsgefahr entgegenstellen?


Peter Handke - Das zweite Schwert: Eine Magiegeschichte; Suhrkamp, 160 Seiten, 20 Eur0


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