In der Reihe Feminismus, Kultur und Gesellschaft berichtet und informiert unsere Gastautorin Lea Illersperger wöchentlich über Themengebiete, die oftmals an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ausschließlich dort besprochen werden. Heute zum Thema Pädophilie. (A.d.R.)
„Pädophilie“ beschreibt wiederkehrende, stark sexuell anregende Zwänge, Fantasien oder Verhaltensweisen unter Einbeziehung von Kindern. Im Gegensatz zur Hebephilie, bei der sich Männer/Frauen zu Jungen/Mädchen im pubertären Alter hingezogen fühlen, sind Betroffene der Pädophilie meist an Kindern im Alter von 12 Jahren oder jünger interessiert. Das sexuelle Interesse der von Hebephilie betroffenen Personen wird zudem in Ephebophilie (Interesse an männlichen Jugendlichen) und Parthenophilie (Interesse an weiblichen Jugendlichen) eingeteilt.¹ Richtet sich die pädophile Störung an Kinder unter drei Jahren, spricht man von Infantophilie. Pädosexualität wird einerseits als Synonym, andererseits zur Unterschiedung für den Begriff der Pädophilie verwendet. Betroffene einer sexuellen Missbrauchstat empfinden „Pädophilie“ oft als zu verschleiert und verharmlost. Pädosexuelle Personen sehen in dem Begriff selbst eher eine klare sexuelle Neigung, wie es Bi-, Homo- oder Heterosexualität sind. Zudem unterscheiden sich Pädophile und Pädosexuelle auch häufig darin, dass erstere sich nicht sexuell zu Kindern/jungen Jugendlichen hingezogen fühlen, sondern sich in diese verlieben.² Die sexuelle Orientierung pädophiler Menschen wird ebenso in homo-, bi- oder heterosexuelle Pädophilie eingeteilt.³
Prävalenz und pädophile Sexualpräferenz
Zuverlässige Angaben zur Prävalenz pädophiler Personen gibt es kaum. Internationale Studien geben an, dass rund 1% aller erwachsenen Personen, die sich als männlich lesen eine primärpädophile Ausrichtung haben. Die Uni Regensburg stellte bei 8700 männlichen Teilnehmern eine pädophile Neigung bei weniger als 0,1% fest.⁴
Bei Pädophilen geht man im Allgemeinen von einer primären sexuellen Ausrichtung auf Kinder aus. Diese muss nicht zwingend koital sein, in vielen Fällen reicht Körperkontakt, eine Berührung des Kindes an einer Stelle, die nicht den Genitalbereich inkludiert, die zur Erregung führt. Ein Teil der von Pädophilie betroffenen Personen schließt sexuellen Kontakt aus. ⁵
Neben dem sexuellen Interesse steht das Verlangen nach emotionaler Nähe und einer Liebesbeziehung oft im Vordergrund. Pädophile sind häufig einsam und empfinden ihre Lebenslage als instabil, da sie ihre sexuellen Bedürfnisse nicht ausleben können.
Aus Angst vor juristischen Konsequenzen und genereller Abneigung pädosexueller Verhaltensweisen, nutzen Betroffene häufig Medien wie etwa Kinderpornographie als Stimulation. Die Täterprofile wurden bisher zwar in Typologien eingeteilt, sie sind aber durchaus heterogen.⁶ Auch die pädophile Neigung bei Frauen wurde bereits nachgewiesen.
Gesetzeslage und aktuelle Studienlage
Im §176 des StGBs in Deutschland ist Pädophilie unter sexuellem Missbrauch an Kindern geregelt. Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) gibt an, dass sich die Anzahl pädophiler Personen in Deutschland, welche nur sehr schwer messbar ist, über die letzten Jahren nicht stark verändert hat. Viele davon seien Artefakte, so die PKS.⁷
Internationale Studien geben an, dass die Rückfallquote Betroffener mit 40-50% ca. doppelt so hoch ist, wie die bei anderen Sexualdelikten (durchschnittlich rund 22%).⁸
Kinder reagieren laut einer Studie des Psychoanalytikers Gerd Rudolf unterschiedlich auf sexuellen Missbrauch. Einige erleiden traumatische Folgen, wobei der Begriff „Traumatisierierung“, sagt Rudolf, differenziert betrachtet werden muss. Ebenso sei die Zuschreibung einer „Opferidentität“ ungerechtfertigt und für einen therapeutischen Verlauf kontraproduktiv.⁹ Betroffene Kinder fühlen sich häufig wertlos und schuldig. Mögliche Folgen können aggressives Verhalten, das Vermeiden von Beziehungen, Suchtprobleme, Depressionen, Selbstbestrafungstendenzen und viele weitere sein.
Sexualität wird durch das Erleben von sexuellem Missbrauch mit einer Belohnung in Verbindung gebracht, weil es zum Beispiel mit Zärtlichkeit und liebevoller Zuwendung einhergeht. Folglich fällt es betroffenen Kindern später manchmal schwer zwischen Liebe und Sexualität zu unterscheiden.¹⁰
Anmerkung zum Schluss
Dieser Beitrag beinhaltet ausschließlich eigenständig recherchierte Informationen. Es ist zudem wichtig zum Abschluss nochmal zu erwähnen, dass Betroffene der Pädophilie, vorgefallene Missbrauchshandlungen und betroffene Kinder von sexuellen Übergriffen nicht einheitlich zu betrachten sind. Es gibt immer unterschiedlich starke Ausprägungen, verschiedene Verhaltensweisen und jährlich neue Studienergebnisse und Kriminalstatistiken. Ich verwende ungern die Begriffe „Täter“ oder „Opfer“, da diese häufig undifferenziert verwendet werden und einer gesellschaftlich stark gefärbten Wertung unterliegen.
Quellen
1 Magnus Hirschfeld: Vom Wesen der Liebe. Zugleich ein Beitrag zur Lösung der Frage der Bisexualität. Verlag Max Spohr, Leipzig 1906
2 Christoph J. Ahlers, Gerard A. Schaefer, Klaus M. Beier: Das Spektrum der Sexualstörungen und ihre Klassifizierbarkeit.
3 Claudia Bundschuh: Pädosexualität. Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen. Leske + Budrich, Opladen 2001
4 Beate Dombert, Alexander F. Schmidt, Rainer Banse, Peer Briken, Jürgen Hoyer, Janina Neutze, Michael Osterheider: How Common is Men's Self-Reported Sexual Interest in Prepubescent Children? In: Journal of sex research
5 Horst Vogt: Pädophilie. Leipziger Studie zur gesellschaftlichen und psychischen Situation pädophiler Männer. Pabst Science Publishers, Lengerich 20068 Rudolf Egg u. a.: Evaluation von Straftäterbehandlungsprogrammen in Deutschland. Überblick und Meta-Analyse. Behandlung gefährlicher Straftäter. In: Behandlung „gefährlicher Straftäter“
9 Gerd Rudolf: Opferüberzeugungen. Die „neuen Störungsbilder“. Faszination und Schwierigkeiten
10 https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/risikofaktoren/sexueller-missbrauch/psychische-folgen/