In der Reihe Feminismus, Kultur und Gesellschaft berichtet und informiert unsere Gastautorin Lea Illersperger wöchentlich über Themengebiete, die oftmals an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ausschließlich dort besprochen werden. Heute geht es um die Tabuisierung der Menstruation. (A.d.R.)
Warum ist alles rund um die monatliche Regelblutung so schambehaftet? Welche Mythen haben dazu geführt, dass es der Gesellschaft schwer fällt, offen darüber zu sprechen? Hier ein kleiner Einblick in die Geschichte und die daraus entstehende Tabuisierung der Menstruation.
Blut ist nicht gleich Blut
Worin unterscheidet sich eigentlich Nasenblut und das Blut menstruierender Frauen? Was die meisten bezeugen würden ist, dass Nasenbluten gesellschaftlich toleriert wird, öffentlich zu menstruieren nicht. Das eine ist meist ein Zeichen einer körperlichen oder mentalen Dysfunktion, das andere steht für die Gesundheit einer Frau und eine natürliche Funktion des Körpers. Blut an sich wird meist mit Kampfgeist und Stärke in Verbindung gebracht – warum dann nicht auch die Regelblutung?
Kulturgeschichte
In der Antike galt die Menstruation als Reinigungsprozess, da Frauen zu viele Nährstoffe oder Blut in ihrem Körper hätten, die ausgeschieden werden müssten. Dadurch, dass damals fast ausschließlich Männer wissenschaftlich forschten, wurde die Frau teilweise als unvollständiger Mann angesehen.¹ Aristoteles, Pythagoras und Hippokrates werteten die Regelblutung als etwas Unvollständiges, Unreines ab.² Hildegard von Bingen beschrieb die monatliche Blutung im Mittelalter als eine Folge des Sündenfalls. In der Renaissance wurde sie zum ersten Mal auf ihre Giftigkeit untersucht. Erst 1958 gab es die ersten Studien, die diese Annahme widerlegten.
Im 17. Und 18. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung, wurden der Frau Natur, Aberglaube, Tradition und Körperlichkeit zugeordnet, dem Mann hingegen Kultur, Wissenschaft, Fortschritt und abstraktes Denken.³
Im Laufe des 19. Jahrhunderts, mit der Verbreitung des Sozialdarwinismus, rückte der weiße Mann an die Spitze der menschlichen Hierarchie. Die Evolutionstheorie war ausschlagend dafür, dass die Frau mehr als je zu vor als ein anderes Wesen angesehen wurde. Außerdem kam es zur Degradierung der Menstruation auf einen Leidenszustand und ein notwendiges Übel statt. Ärzte (bewusst nicht gegendert) vermuteten, dass es sich bei der Monatsblutung um eine nicht ausgelebte Schwangerschaft handelte.⁴
Bis ins 20. Jahrhundert wurde der weiblichen Periode nachgesagt, sie würde zum (Lebensmittel-) Verderben beitragen und sie sei deshalb giftig. Der Wiener Arzt Béla Schick beobachtete einst, dass die Blumen, die seine Haushälterin in eine Vase gestellt hatte, schnell verwelkten. Er erfuhr, dass sie zu dieser Zeit die Menstruation hatte und schloss demnach daraus, dass ihr Blut das Menstruationsgift Menotoxin enthalten würde. Es wurde also angenommen, dass Menstruationsblut toxisch sei – und das wirkt bis heute noch nach.
Judentum und Christentum
Im Juden- und Christentum galt die Menstruation meist als eine Unreinheit. Jüdische Frauen waren demnach 7-14 Tage im Monat unrein, so im 3. Buch Mose, Kapitel 15, beschrieben. Schlief ein Mann in diesen Tagen mit einer Frau, wurde auch er mit Unreinheit bestraft. Übertrat ein Paar bewusst dieses Gesetz, mussten sie vom Volk ausgestoßen werden und sterben. Frauen schloss man in dieser Zeit auch von allen rituellen Handlungen aus, sie durften dem Rabbi nicht mehr die Hand reichen und mussten sich nach jeder Monatsblutung einer Reinigung unterziehen, damit sie Synagoge und Tempel wieder besuchen durften.
Im Christentum stand körperliche Förmlichkeit zunächst an erster Stelle, bis man sich, vermutlich auch durch den Einfluss des Judentums, dazu entschloss, Frauen einen gesellschaftlichen, stark untergeordneten Stellenwert zu geben. Ihnen hat man alle höher gestellten kirchlichen Dienstleistungen verboten, da sie während der Zeit der Menstruation als unrein und somit ungeeignet für gehobene Positionen am Altar angesehen wurden.⁵
Im Mittelalter bekam Sexualität im Allgemeinen, und somit auch die Periode der Frau, immer mehr den Charakter einer Sünde. Mönche sahen darin unter anderem eine Strafe Gottes für den Sündenfall von Eva. Die Mutter Gottes wurde davon ausgenommen – Theologen erklärten sich diese Theorie damit, dass sie nie menstruiert habe.⁶
Aberglaube
Bis heute erhält sich der Mythos, dass das Menstruationsblut eine schädliche Wirkung auf äußere Faktoren, Lebendes und Materielles hat. Die Frau wurde immer mehr in Verbundenheit mit der Erde gebracht. Sie waren beide verletzlich und gefährlich. Die Menstruation assoziierte man mit den Mondphasen. Jede Berührung einer menstruierenden Frau würde Wein und Most sauer machen, Bier umschlagen, Pflanzen verdorren und Milch gerinnen lassen. Die Hexenjagd leitete sich genau aus diesen (und noch vielen anderen) abergläubischen Annahmen ab.
Anmerkung zum Schluss
Das Thema der Tabuisierung der Menstruation ist sehr umfassend. In dem Artikel wurden lange nicht alle religiösen und kulturellen Hintergründe und Mythen miteinbezogen. Er soll lediglich einen Einblick in die Materie geben und der Enttabuisierung der Menstruation dienen, indem er die Mythen und geschichtlichen Ereignisse anführt und hinterfragt. In einem weiteren Artikel werde ich näher auf den heutigen kapitalistischen und nach wie vor gesellschaftlich unkomfortablen Umgang mit der Menstruation eingehen.
Quellen
1 Caroline Ausserer: Menstruation und weibliche Initiationsriten. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2003
2 Judith Schlehe: Das Blut der fremden Frauen. Campus, Frankfurt am Main / New York 1987
3 Caroline Ausserer: Menstruation und weibliche Initiationsriten. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 20034 Judith Schlehe: Das Blut der fremden Frauen. Campus, Frankfurt am Main / New York 1987
5 Judith Schlehe: Das Blut der fremden Frauen. Campus, Frankfurt am Main / New York 1987
6 Caroline Ausserer: Menstruation und weibliche Initiationsriten. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2003