Der Stuttgarter Autor Heinrich Steinfest hat einen der wohl notwendigsten Ratgeber der letzten Jahre geschrieben. In "Gebrauchsanweisung fürs Scheitern" wirft er einen Blick auf das Potential unserer Niederlagen, und öffnet die Tür zum Außenseitertum.
Samuel Becketts berühmtes Wort: „Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ war nur eine der Initalzündungen, die Heinrich Steinfest dazu getrieben haben, einen genaueren Blick auf das Potential des Verlierens zu werfen. Dass hinter unseren Niederlagen immer auch etwas Lehrreiches steckt, ist weitestgehend bekannt. Heinrich geht aber weiter. Scheitern, sagt der Autor, kann auch Glück bedeuten.
Diese auf den ersten Blick paradox, beim genaueren Hinsehen jedoch recht verständlich wirkende Annahme erscheint zunächst deshalb befremdlich, weil sie von einem erfolgreichen und preisgekrönten Autor getätigt wird. Es ist ein nur allzu bürgerlicher Reflex, gleich losschreien zu wollen: "Der hat gut reden, der hats ja geschafft". Auf seinem Weg jedoch, durchschritt Heinrich so manch tiefes Tal. In seiner Gebrauchsanweisung beschreibt er die Angst vor leeren Sälen, die furcht, bei Lesungen zu versagen, und vieles mehr. Es sind tragische Momente, die sich mit dem Komischen verbinden. Diese tragisch-komischen Elemente finden sich dann auch in einigen Kapitel-Überschriften wieder, die Titel tragen wie "Das Porträt des Künstlers als ein Häufchen Elend", angelehnt an James Joyce "Ein Porträt des Künstlers als junger Mann".
Von Joyce ist es kein weiter Weg bis zu Samuel Beckett, dessen Ausspruch "Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." so etwas wie den Grundtenor dieses Buches darstellt. Peinlichkeiten, Abbrüche, Ängste - all dies sind den Autor formende Voraussetzungen; das Besser-Scheitern, womit Becketts Zitat endet, der Startschuss für Steinfests "Anleitung".
Auf einen Außenseiter setzen
Nachdem Steinfest das Gebilde des "Scheiterns" weitläufig umwandert und betrachtet hat, kommt er letztendlich beim "Glück" an. Er schreibt übers Scheitern beim Sport, um den Wettlauf der Welt, über gegenwärtige Bedingungen, über ein gelungenes oder weniger gelungenes Leben, und endet bei einer Sport-Wette. Als Kind, erinnert sich der Autor in dieser Geschichte, hatte er beim Pferderennen auf einen Außenseiter gesetzt, und tatsächlich gewonnen. Das Glück, welches das Kind dabei verspürte, rührte weniger daher gewonnen zu haben. Es entsprang viel mehr dem tiefen Gefühl der Empathie, der Tatsache, einem Außenseiter alles zugetraut zu haben, zutrauen zu können. Und so schließt sich der Kreis und der Autor kehrt zu sich selbst zurück, zum Autor-Sein und zur Möglichkeit des Außenseiters. Selbst wenn das Scheitern einen bis an den Rand der Gesellschaft drückt, gibt es immer noch jemanden, der auf diesen am Rande Stehenden setzt, ihm alles zutraut.
Heinrich Steinfests "Gebrauchsanweisung fürs Scheitern" bekommt gerade hier eine gesellschaftlich dringliche Komponente. Es zwingt uns förmlich, über die Bedeutung und die Notwendigkeit des Verlierens, des Inkonsequenten und der plötzlichen Abbrüche nachzudenken. Den Gescheiterten eine Plattform geben, sie hoch halten und ernst nehmen, das bedeutet doch auch, den Weg für nicht vorgefertigte Wege zu ebnen, und somit nicht weniger, als das Menschliche zu betonen. Denn fehlerfrei funktionieren nur kalt und präzise programmierte Maschinen.
Heinrich Steinfest - "Gebrauchsanweisung fürs Scheitern", Piper Verlag, 2019, 240 Seiten, 15 Euro