Es geht um Heldinnen mit Psychosen. Es geht um abgelegene Häuser ohne Internet, Telefon, Fernsehen oder sonstigen Kontakt zur Außenwelt. Routiniert entwirft Charlotte Link in ihrem neuesten Kriminalroman "Die Betrogene" ein Ränkespiel um ein mörderisches Doppelleben.
Charlotte Link ist wieder da: Nach einem Trauerfall in der Familie meldet sich die Frankfurterin mit "Die Betrogene" zurück. Der 600-Seiten-Wälzer ist schon alleine durch die Vorbestellungen zum Bestseller geworden. Der Verlag geht mit einer Startauflage von 600.000 Exemplaren zu Werke; 200.000 Exemplare werden nachgedruckt.
Tatsächlich liefert Charlotte Link einmal mehr ein kriminalistisches Ränkespiel ab, bei der sie passionierter Leser nicht enttäuscht.
In "Die Betrogene" ermittelt die englische Polizistin Kate Linville den Mord an ihrem Vater auf eigene Faust, da sie die Gesetzeshüter vor Ort für nicht kompetent hält. Stets von Kompetenzüberschreitung bedroht, kommt Linville bei der Provinzpolizei freilich nicht gut an. Die schiebt den Tod von Richard Linville darauf, dass er als ehemaliger Polizeibeamter eben viele Feinde gehabt hätte.
Parallel dazu zieht der von seelischer Erschöpfung gezeichnete Drehbuchautor Jonas Crane in ein verschlafenes Nest in den Hochmooren Yorkshires. Mit seiner Frau und seiner Familie zieht er sich aber genau dahin zurück, wo sich irre, auf der Flucht befindliche Mörder ganz besonders gerne einnisten: Nämlich in jenes beschauliche, abgelegene Cottage im Handy-Funkloch.
Es kommt so, wie es kommen muss: Kate entdeckt, dass ihr Vater über all die Jahre ein dunkles Geheimnis gedeckt hat und er das lebenslange Leiden eines kleinen Jungen mit zu verantworten hat.
Fazit: Charlotte Links Fangemeine jubelt. Nach 31 Bewertungen hat "Die Betrogene" eine sehr gute Wertung von 4,3 von 5 Sternen erhalten. Man muss jedoch wissen, worauf man sich einlässt. Fans fühlen sich von Anfang an in Charlotte Links altbekannten Erzählmustern wohl. Im wie immer eher plot-getriebenen Aufbau finden sich reichlich knapp skizzierte Figuren; die Wendungen und Erklärungen sind überwiegend befriedigend. Handwerklich bedient sich Charlotte Link bekannte Techniken, auf die man sich einlassen mag, die für geübte Leser aber viel zu durchschaubar sind. So kommt taucht zu Beginn der kleine junge auf dem blauen Fahrrad auf und sät so offensichtlich einen Storybeginn, dass die unweigerliche Wiederaufnahme des Fadens vorhersehbar wird. Stilistisch setzt Charlotte Link wieder keine Zeichen. Die Formulierungen sind deskripktiv, wenig atmosphärisch, bisweilen plump. Dafür punktet die Autorin beim klassischen Plot-Aufbau, der in typischer Manier von Charlotte Link zum Miträtseln einlädt.
Für wen eignet sich´s? Natürlich können sich Fans von Charlotte Link auch "Die Betrogene" nicht entgehen lassen. Leser hochkomplexer Thriller werden in "Die Betrogene" dagegen weder Charaktere mit ausreichender Vielschichtigkeit vorfinden, noch eine wirklich überraschende Verschwörung. Da liefern andere Autoren mittlerweile weit mehr ab.